Unterm Strich
mit Minijobs, Leiharbeit und unfreiwilliger Teilzeitarbeit.
Steuersenkungen stehen in Konkurrenz zum Abbau der Staatsverschuldung und kollidieren mit der Schuldenbremse im Grundgesetz und den Auflagen aus dem Maastrichter Stabilitäts- und Wachstumspakt. Sie entziehen notwendigen Investitionen vor allem im Bildungssektor den Boden. Eine Erhöhung der an Niedrigverdiener gezahlten Zuschüsse würde bedeuten, dass neben den Leistungen, die heute schon 1,4 Millionen sogenannte Hartz-IV-Aufstocker beziehen, weitere Mittel mobilisiert werden müssten, die nach wirtschaftswissenschaftlichen Schätzungen glatt 40 Milliarden Euro erreichen könnten und zwingend mit gesetzlich festgelegten Mindestlöhnen kombiniert werden müssten, damit Unternehmen die Staatszuschüsse nicht dahingehend interpretieren, dass sie ihrerseits die Bruttolöhne drücken können und dann anschließend der Steuerzahler einspringen muss. Ein gesetzlicher allgemeiner Mindestlohn wiederum sieht sich der streitbefangenen Frage ausgesetzt, ob er nicht Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich gefährdet, die mit ihrer geringen Produktivität die auf ihnen lastenden Lohnkosten nicht »erwirtschaften«, und damit Hartz IV zur Falle macht. Die Expertise liefert keine klare Antwort. Für einen Teil von ihr ist es eine Frage der Dosierung. Er versammelt sich unter der Fahne eines »moderaten Mindestlohns«, der aber unterhalb der Forderung des DGB und der SPD von 8,50 Euro liegt. Eine radikale Eindämmung der prekären Beschäftigungsmöglichkeiten - über einen Mindestlohn auf ordnungsrechtlichem Weg - verbaut mindestens die Aussicht auf eine erste Treppenstufe zum Wiedereinstieg ins reguläre Erwerbsleben.
Es ist offensichtlich, dass es keine Patentantwort gibt. Zwischen Scylla und Charybdis erscheint mir ein Mindestlohn nach den Erfahrungen anderer europäischer Länder - 20 von 27 EU-Staaten haben einen Mindestlohn eingeführt - am ehesten geeignet, um der weiteren Verfestigung gesellschaftlicher Schieflagen entgegenzuwirken und einen Lohnabstand zu gewährleisten. Damit verbindet sich nicht zuletzt auch die Perspektive, dass der öffentliche Haushalt entlastet werden könnte, indem Niedriglöhne nicht mehr durch staatliche Zuschüsse aufgestockt werden müssten. Nicht weniger würde sich das gesamtwirtschaftliche Problem einer mehr oder minder stagnierenden Kaufkraft mit der Folge einer unterentwickelten Inlandsnachfrage zwar nicht verflüchtigen, aber tendenziell abschwächen.
Den Teilen der Politik, die das Urteil der Karlsruher Richter zu Hartz IV als Einladung interpretieren, die Verteilungsmaschine auf noch höhere Touren zu bringen - Bündnis 90 / Die Grünen haben auf dem Marktplatz der politischen Top-Angebote schnurstracks einen Regelsatz von 420 Euro für Hartz IV in die Waagschale geworfen, was von der Linkspartei noch einmal um 80 Euro überboten wird -, sei ohne Schnörkel entgegengehalten, dass solche Erhöhungen Milliarden kosten, den Haushalt weiter zementieren, noch mehr Menschen in Hartz IV rutschen lassen und die bisherige Debatte über Leistungsmissbrauch und das Lohnabstandsgebot erheblich anheizen würden. Diese Logik sollten auch all diejenigen nicht als störend oder störrisch abtun, die in einer Erweiterung der Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger festes Ufer vermuten. Sie würde wahrscheinlich dazu führen, dass noch mehr Menschen weit länger in Hartz IV verharren. Dementsprechend hätte die Bundeskasse auch mehr zu zahlen. Auch in diesem Fall lässt sich das Problem des Lohnabstandsgebots nur verpacken, wenn gleichzeitig ein Mindestlohn festgelegt wird. Gratwanderungen, wohin man schaut, die jedenfalls breitmäuliges Getöse und die auf Aufmerksamkeit getrimmte Attitüde des angeblichen Tabubrechers nicht vertragen.
All die Vorschläge, die zurück in die Ebene führen sollen - vom Bürgergeld der FDP über den Kombilohn des Sachverständigenrates, die aktivierende Sozialhilfe des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, den Workforce-Ansatz mit Arbeitspflicht des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit, das bedingungslose Grundeinkommen von Professor Thomas Straubhaar vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) bis zum Mindestlohn -, zielen darauf ab, Hartz IV entweder fundamental zu revidieren oder gar zu ersetzen. Sie müssen sich allerdings drei Kriterien stellen.
Erstens: Sind sie teurer als der jetzige Aufwand im Rahmen von Hartz IV? Dann kann man sie angesichts der hohen Staatsverschuldung auf
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