Unterm Strich
Roman doch nicht. Nicht fiktional, sondern real müsste sich die Frage aufdrängen: Wer oder was kontrolliert eigentlich die Medien? Die ist offenbar deshalb so abwegig, weil es ein konstitutives Merkmal einer freien und offenen Gesellschaft ist, dass Medien eben nicht kontrolliert werden. Dagegen steht die Regierung unter der Kontrolle des Parlaments. Das Parlament wird von den Staatsbürgern als Souverän gewählt. Die Gerichte bewegen sich im Rahmen der Gesetze, die ihnen das Parlament absteckt. Die Medien sind eine gesellschaftliche Institution, die sich allein ihrer eigenen, von Presseorgan zu Presseorgan durchaus abweichenden Definition von Verantwortung und Geschmack verpflichtet fühlt - und sich nicht zuletzt an Auflagen, Quoten und Marktanteilen orientiert.
Ihre Vertreter - Verleger, Intendanten, Journalisten - reagieren in diesem Freiraum hochempfindlich auf Einlassungen von politischer Seite, die auch nur entfernt an Medienschelte erinnern (Wiederholungstäter unter den Politikern müssen mit strafenden Kommentaren und Seitenhieben bei passender Gelegenheit rechnen, damit sie lernen, wo der Hammer hängt). Ich kenne kaum einen Berufsstand, der so exzellent im Austeilen und so schwach im Einstecken ist wie der Journalismus. In der Boxersprache spricht man von schlechten Nehmerqualitäten - oder einem Glaskinn.
Verstrickungen von Politik und Medien
Wer glaubt, das Verhältnis von Politik und Medien sei klar geregelt in dem Sinne, dass die einen Politik betreiben und die anderen darüber berichten, macht sich ein allzu schlichtes, um nicht zu sagen realitätsfernes Bild von der Rollenverteilung in unserer Demokratie. Die wird inzwischen nicht zufällig Mediendemokratie genannt.
In der medial geprägten Öffentlichkeit sind Politiker nicht nur Objekte der Berichterstattung, sondern immer auch handelnde Subjekte, also Akteure wie in ihrem eigenen Spielfeld der Politik. Kommunikation ist für sie inzwischen keine Nebenbühne, sondern ein Hauptschauplatz politischer Arbeit geworden. Kommunikative Kompetenz gehört mehr denn je zum Anforderungsprofil von Politikern, wobei sich ihre Fähigkeiten darin nicht erschöpfen sollten. Bella Figura auf dem öffentlichen Parkett ohne inhaltliche Aussage reicht ebenso wenig wie tonnenschwerer Inhalt ohne darstellerische Talente.
In ihrer medialen Präsentation oder Vermarktung leihen Politiker nicht selten ihre Hand und ihr Wort Entwicklungen, die sie anschließend empört beklagen. Einige unterliegen der Versuchung, ihre Privatsphäre bis hinter ihre Haustür zu öffnen. Im Falle von privaten Partnerwechseln gibt es die Möglichkeit eines »Deals« mit dem Boulevard: Man erhandelt sich Wohlwollen statt eines »Skandals« durch die Preisgabe von Privatem. Exklusivität, mit Fotos bitte, wird durch »faire« Behandlung belohnt. Ist man nicht willig, legt sich der Boulevard aber auch schon mal mit Geheimdienstmethoden auf die Lauer, um an Fotos heranzukommen. Laden Politiker Journalisten in ihr Privatleben ein, weil ihnen das kommunikativ nützlich erscheint, dann werden sie sie allerdings nicht wieder ausladen können, wenn sie dies wegen veränderter Umstände für angebracht halten.
Auf der anderen Seite dienen Medien nicht nur der Berichterstattung, Kritik und Kontrolle. Sie verfolgen auch politische Ziele, ohne dafür aber demokratisch legitimiert zu sein. Medienmacher werden - nach meinem Eindruck insbesondere seit dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin - immer stärker zu politisch Handelnden und damit zur vierten »Gewalt« im Staat. Vor allem Alphatiere des Journalismus wollen mitmischen und Einfluss nehmen auf die inhaltliche und personelle Aufstellung von Politik. Sie sind nicht selten von einem »Ministergefühl« (Hans Leyendecker) getragen. Einigen geht es darum, politische Stimmungen nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erzeugen. Für den Boulevardjournalisten gilt das allemal - sei es als Promoter einer auf Verlagslinie definierten Marktwirtschaft oder als Verhinderer von politischen Konstellationen, die ihm politisch nicht passen.
Mir sind Journalisten begegnet, die sich ihren politischen Drang nicht durch langwierige Recherchen nehmen lassen wollten. Sie zeichneten sich durch Meinungsstärke und Faktenschwäche aus. Nach manchen Pressegesprächen erschien es mir, als beanspruchten die Medienvertreter auch noch die Deutungshoheit darüber, wie ich das, was ich gesagt hatte, gefälligst auch zu meinen habe. Der saarländische
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