Unternehmen Hongkong
sie
beschlossen, den Schatz auf eigene Faust zu heben .«
»Und was haben Sie und Tess mit
der Sache zu tun ?« erkundigte ich mich.
Tess lächelte. »Ich war mit
Jonathan Carter befreundet«, erklärte sie. »Er fragte mich, ob ich mitkommen
wollte, und ich sagte ja .«
»Ich hatte zu Beginn des
Krieges auf den Philippinen mit ihm zusammengearbeitet«, berichtete Corvo. »Wir
waren gemeinsam bei der Abwehr eingesetzt. Er kam mit Miss Donavan nach Manila und suchte mich auf. Ich betreibe dort eine Art Detektivbüro. Er
machte mir den Vorschlag, mich seiner Expedition anzuschließen, und bot mir
einen Anteil an. Offiziell waren wir Touristen. Carter meinte, daß Miss Donavans Gegenwart diesen Eindruck verstärken würde .«
»Vielen Dank, daß Sie mir das
alles erzählt haben«, sagte ich. »Wissen Sie, daß Natalie Dove in Hongkong ist ?«
»Ja«, erwiderte er. »Das wissen
wir .«
»Und Sie machen sich deshalb kein
Kopfzerbrechen ?«
Er zuckte die Achseln. »Wir
waren schon über eine Woche in Hongkong, ehe wir beschlossen, mit Ihnen
Verbindung aufzunehmen. Doch die ganze Zeit haben wir Natalie im Auge behalten.
Wir wissen, wann Sie sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt hat ,
und wir wollten in Erfahrung bringen, wie sich alles anließ. Außerdem warteten
wir auf Kahns Ankunft. Wie Sie wissen, ist er gestern angekommen .«
Ich zündete mir eine neue
Zigarette an. »Aber ich verstehe nicht, weshalb sich Natalie überhaupt an mich
gewandt hat, obwohl für sie feststand, daß sie die Fahrt mit Kahn unternehmen
würde .«
»Meiner Ansicht nach hat sie
das ganz bewußt und aus Gerissenheit getan«, sagte er. »Sie hat sicherlich
gewußt, daß Sie so ziemlich der einzige Weiße in der Stadt sind, der einen
solchen Plan ausführen kann, und sie wußte ferner, daß Carter jederzeit hier
ankommen mußte. Vielleicht fürchtete sie, daß er vor Kahn eintreffen und ihnen
infolgedessen eine Nasenlänge voraus sein würde. Wenn Sie daher Ihnen ein
Angebot machte, war es ziemlich wahrscheinlich, daß Sie Carters Angebot, falls
es erfolgen sollte, ausschlagen würden .«
»Sie ist ein attraktives
Mädchen, nicht wahr ?« sagte ich.
»Da stimme ich Ihnen zu, Mr.
Kane«, erklärte Tess steif.
»Wer hat Carter umgebracht ?« fragte ich Corvo.
Er zuckte die Achseln. »Ich
weiß es nicht. Gestern morgen hätte ich noch gesagt,
entweder Natalie oder Kahn, oder beide gemeinsam. Aber seit dem gestrigen
Angriff bin ich nicht mehr so sicher. Es kann auch dieser Geheimbund gewesen
sein .«
»Möglich«, stimmte ich zu.
»Ich wollte Carter nicht allein
zu Ihnen lassen«, fuhr er fort. »Aber er bestand darauf. Ich ging von der
Annahme aus, Sie könnten Natalies Scheinangebot bereits angenommen haben und
uns gefährlich werden, aber ich dachte keinesfalls an eine andere Möglichkeit .«
»Im Augenblick ist das sowieso
eine akademische Frage«, schloß ich und stand auf. »Ich werde mich mit Ihnen in
Verbindung setzen, sobald alles arrangiert ist .«
»Warten Sie nicht zu lange,
Kane«, sagte Corvo warnend. »Sonst könnte ich nämlich argwöhnisch werden und
vermuten, daß Sie für die Fünftausend keine Gegenleistung bieten. Ich bin ein
gefährlicher Mensch, wenn man versucht, mich zu hintergehen .«
»Keine Sorge«, versetzte ich
kühl.
Von der Dachetage im Oriental Hotel Ibis zu Wongs Büro im
Tai-Shan-Haus brauchte ich zwanzig Minuten. Ich sagte dem niedlichen
Chinesenmädchen am Empfang meinen Namen, und wenige Minuten später führte sie
mich in sein Büro.
»Andy«, sagte Wong. »Was für
eine nette Überraschung.«
»Danke«, erwiderte ich.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen ?«
Ich setzte mich ihm gegenüber
auf einen Stuhl. Wong faltete seine Hände über dem Spitzbauch und sah mich an.
»Vielleicht haben Sie sich doch
entschlossen, mein Angebot anzunehmen, Andy ?«
»Nein«, versetzte ich. »Ich bin
nur zufällig an Ihrem Büro vorbeigekommen und wollte auf einen Sprung
hereinkommen .«
»Das freut mich wirklich .« Er lächelte. »Wollten Sie etwas Bestimmtes besprechen ?«
»Nein, eigentlich nicht. Die
Polizei hat mich wegen Carters unglückseligem Tod verhört. Sie scheinen
ziemlich überzeugt, daß der Mord auf das Konto eines Geheimbundes geht, der
unter dem Namen >Brüder der Goldenen Lilie< bekannt ist. Ich dachte, Sie
wüßten vielleicht etwas über den Verein, Wong. Sie sind doch hier in Hongkong
ein recht einflußreicher Mann .«
»Ich habe natürlich von der
Gesellschaft gehört«, erwiderte er.
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