Unternehmen Vendetta
dieser Art Musik war er nie recht auf den Geschmack gekommen, was entweder auf Ungeduld zurückzuführen war oder nur auf Vorurteile aus der Kindheit. Doch jetzt reizte es ihn, da er ein Musikstück auswählen wollte, das etwas aussagte.
Verdis Macbeth? Im Hinblick auf die Umstände konnte Macbeth doch kaum falsch sein?
Er schob die CD ein, schob den Lautstärkeregler auf größte Lautstärke und drückte dann sämtliche Lautsprecherknöpfe. Dann nahm er flüsternd zu den beiden anderen Kontakt auf.
»Trident an Orca und Triton. Hört ihr mich?« begann er. Sie bestätigten keuchend, ihn zu hören.
»Geschenk deponiert. Wachpersonal im Ober und Zwischengeschoß ausgeschaltet. Ich werde jetzt das ganze Haus mit Opernmusik füllen. Vielleicht kannst du sie sogar noch hören, Orca. Nur damit ihr Bescheid wißt. Werde mich bald bei Triton einfinden. Beim Abstieg werde ich unsere Handgriffe hinunterwerfen. Die Musik wird jedes Klirren übertönen, zumindest im Haus. Alles verstanden?«
»Treibst du den Scherz jetzt nicht ein bißchen weit?« knurrte Åke Stålhandske.
»Bestätige, daß du alles verstanden hast, Triton!« befahl Carl.
»Alles verstanden. Mache mich bereit, dich in einer Minute zu sehen«, erwiderte Luigi.
Carl lächelte still vor sich hin, als er den Zeigefinger auf den Schalter legte und den CD-Player einschaltete.
Er schaffte es, bis zur Terrassentür zu kommen und war fast schon draußen, als mit der Ouvertüre zu Macbeth im ganzen Haus die Hölle losbrach. Er verschloß schnell die Glastür, neutralisierte die Alarmanlage, steckte den Schlüssel in die Brusttasche, die er sorgfältig zuknöpfte, bevor er zu der steinernen Balustrade ging und sich hinüberschwang. Er kletterte ein paar Schritte hinunter und zog die Sicherheitsleine hoch, die er unter den Lederriemen auf der Brust feststeckte. Dann löste er schnell Handgriff um Handgriff und schleuderte sie über den Felsvorsprung, wo sie nacheinander geräuschlos in der Dunkelheit verschwanden.
Als er unten auf dem Felsvorsprung stand und den letzten Handgriff wegwarf, ging ihm auf, daß seine einzige Sicherheit in diesem Augenblick aus einer Leine bestand, die er in der Hand hielt und die sogar unter ihm befestigt war.
»Triton. Ich stehe auf dem Absatz über dir. Beginn sofort mit dem Abstieg, und zwar so schnell wie möglich. Wenn die Musik lauter wird, haben sie da oben die Terrassentür geöffnet.«
Luigi bestätigte den Befehl und begann, sich schnell hinunterzuschwingen. Carl hörte von Zeit zu Zeit das Klirren und Rasseln von Karabinerhaken, die immer wieder gegen die Metallhaken in der Felswand schlugen. Unterdessen stand er selbst auf dem Absatz und zog die Reste des hängenden Seils zu sich hoch, sobald er sich zu bewegen wagte, da er nicht Gefahr laufen wollte, das Gleichgewicht zu verlieren. Als er das Ende des Seils in der Hand hielt, zog er es zweimal zwischen den Riemen auf der Brust hindurch, kniete dann behutsam nieder und ließ sich vorsichtig über den Absatz gleiten. Er erlebte einen kurzen, schwindelerregenden Fall, bis er mit einem Ruck innehielt. Als er sich wieder orientieren konnte, sah er, daß er fünf oder sechs Meter unter dem überhängenden Felsvorsprung über dem Abgrund hing. In diesem Moment wurde die Musik dort oben brüllend laut. Jetzt war also jemand auf die Terrasse gerannt, doch im nächsten Moment erstarb die Musik abrupt. Folglich befanden sich da oben jetzt mindestens zwei Mann.
Bis auf weiteres hing er hier in Sicherheit, da man ihn wegen des Felsvorsprungs nicht sehen konnte. Er begann, das Seil zwischen den Riemen auf der Brust hindurchgleiten zu lassen, so daß er weich Meter um Meter hinabglitt. Von Zeit zu Zeit bremste er, damit es an den Händen nicht zu heiß wurde.
Diese Methode des Abstiegs war unkonventionell und natürlich weniger sicher, als wenn er den Karabinerhaken an dem Seil an der Bergwand befestigt hätte und sich so langsam abgesenkt hätte. Er hatte sich überlegt, daß er so schneller sein würde. Das war er auch. Der Abstieg nahm jedoch ein plötzliches und problematisches Ende, da die Leine nicht lang genug war.
An ihrem Ende hing er rund acht Meter über dem Strand. Das war viel zu hoch, um einen Sprung zu wagen. Er hatte nur eine Möglichkeit, und so begann er mit den Beinen zu schwingen, um immer näher an die Felswand heranzukommen, in der Hoffnung, dort die Leine zu erreichen. Er verfluchte sich selbst. Das immer weiter ausschwingende Schaukeln bedeutete, daß er
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