Unternehmen Vendetta
Träger des Wappens Herzog oder Marchese gewesen sein müsse. Zu all diesen subjektiven Nichtigkeiten komme noch die praktische Überlegung hinzu, daß das Restaurant nicht mit Motorrädern angegriffen werden könne und daß die Sandsteinwände ausreichend Schutz böten.
Sie nahmen das Restaurant in bester sizilianischer Manier ein, mit heulenden Sirenen, blitzendem Blaulicht und schwerbewaffneten Wachen, die das Lokal zur Vorbereitung mehr oder weniger leerräumten.
»Ich habe seit rund vierundzwanzig Stunden nicht mehr gegessen und habe Hunger wie ein Italiener. Pasta möchte ich aber nicht«, erklärte Carl aufrichtig, als sie sich im Inneren des Restaurants gesetzt hatten und der nervöse Besitzer mit den Speisekarten erschien.
»Hungrig wie ein Italiener? Und keine Pasta?« fragte Da Piemonte lächelnd. »Nun, verlassen Sie sich ganz auf mich. Ich werde das schon machen. Und zu trinken?«
»Wir haben bis morgen mittag zwölf Uhr Waffenruhe, High Noon, sozusagen. Ich würde gern Wein trinken, am liebsten italienischen, vorzugsweise sizilianischen. Ich kenne mich auf dem Gebiet aber gar nicht aus.«
Oberst Da Piemonte machte sich mit äußerster Sorgfalt ans Werk. Als Vorspeise bestellte er Sardinen alla Beccafico, kleine, silbern glänzende Fische, gefüllt mit einer Mischung aus Brot und Pinienkernen sowie mit Apfelsinenschalen gewürzt, und als Hauptgericht Arrosto Panato alla Palermitana, was sich als eine mit Salbei gewürzte Variante des Wiener Schnitzels erwies. Dazu Melanzane alla Parmigiana, im Ofen gebackene Auberginen in Tomatensauce und Olivenöl mit Parmesan.
»Dazu sollten wir Siziliens besten Wein trinken«, erklärte Da Piemonte ernst und mit der Lesebrille auf der Nase. »Na ja, diese Dinge sind natürlich subjektiv, aber wenn ich nicht irre, haben Sie bei Rotwein einen französischen Geschmack, und bei Weißwein neigen sie in Richtung Chardonnay, nicht wahr?«
»Stimmt«, bestätigte Carl erwartungsvoll.
»Hm«, sagte Da Piemonte, »haben Sie eine Vorstellung davon, was sich hinter Nerello Mascalese und Nerello Cappucio verbirgt?«
»Nein«, erwiderte Carl verlegen, »ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich von italienischen Rebsorten leider keine Ahnung habe.«
»Um so besser«, stellte Da Piemonte fest. »Wir haben hier Weine von Torrepalino. Das liegt am Hang des Ätna. Der vulkanische Boden ergibt nach meiner Auffassung einen ganz besonderen Wein. Mit der Sonne haben wir hier unten ja keine Probleme. Das Spezielle an diesem Wein ist die Tatsache, daß die Trauben eine kurze Zeit mit der Haut ziehen dürfen, nur ein paar Stunden. Ein ganz besonderer Geschmack.«
»Das ergibt zusätzlich Gerbsäure, sozusagen etwas mehr Herbheit?« fühlte Carl vor.
»Ja, nicht schlecht geraten. Aber die Farbe ist erstaunlich hell, ich meine beim Rotwein. Es ist angenehm, gemeinsame Interessen zu haben, nicht wahr, mein lieber Fregattenkapitän?«
»Ja. Und schön, eine Zeitlang ausspannen zu können«, seufzte Carl, als sie mit der Bestellung fertig waren.
»Nun, und wie wollen Sie sich jetzt herauswinden?« sagte Da Piemonte überraschend direkt, kaum daß Speisekarten, Weinkarten und Kellner verschwunden waren.
»Wie soll ich mich aus was herauswinden?« fragte Carl kurz zurück.
Oberst Da Piemonte klappte seine Lesebrille zusammen, rückte an seiner perfekten schwarzen Uniform etwas zurecht, was nicht zurechtgerückt zu werden brauchte, und betrachtete Carl lange und forschend.
»Fangen wir mit dem Hotel an«, begann Da Piemonte nach einigen Sekunden, wurde jedoch gleich unterbrochen, als die Weine zum Probieren gebracht wurden.
Sie widmeten sich eine Zeitlang der Weinprobe. Carl war über alle Maßen entzückt und erkundigte sich sofort, wie und wo er ein paar Kisten bestellen könne. Er hatte immer, vermutlich ungerechterweise, darauf verzichtet, seinen Gästen italienische Weine anzubieten, aber, so erklärte er, es wäre schön, eine solche Überraschung wie diese Weine auf den Tisch zu bringen. Sehr charakteristisch, ausgewogener Geschmack, erinnere möglicherweise an einige leichtere Cahors-Weine, und so weiter, und so weiter.
»Nun, was meinen Sie, Oberst?« fragte Carl, als die Prozedur erledigt war, so daß sie wieder sprechen konnten.
»Die Sterblichkeit in Ihrem Hotel hat einen solchen Umfang angenommen, daß das jetzt zu einer Angelegenheit für einige unserer gefürchteten Untersuchungsrichter geworden ist. Polizei und Militär haben Staatsanwälten und Richtern
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