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Unternehmen Vendetta

Unternehmen Vendetta

Titel: Unternehmen Vendetta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Hinausgehen. Joars Tür quietschte nicht.
    Joar legte sich auf sein breites Doppelbett und wartete lächelnd auf das laute Türquietschen auf der anderen Seite des Korridors. Er schlug sein Buch an einer Stelle auf, die er mit einem Eselsohr markiert hatte, überlegte es sich dann aber anders und stand auf, um die Vorhänge zur Seite zu ziehen und besseres Leselicht zu erhalten. Reflexmäßig suchte er mit den Blicken die Fensterläden auf der anderen Straßenseite ab, konnte aber nicht erkennen, was sich dahinter befand. Er befühlte die altmodischen Riegel des Doppelfensters und schob es mit einiger Mühe auf. Abblätternde Farbe und Staub fielen herunter. Es war lange nicht mehr geöffnet worden, und die Welle klebriger Hitze, die ihm entgegenschlug, war Erklärung genug. Er machte das Fenster zu, zog ein paar dünne weiße Gardinen vor und legte sich wieder aufs Bett, um sich erneut in die Taktik des Feindes zu vertiefen.
    Carl hatte seine Fensterläden geschlossen gelassen, lag in einem seiner Betten auf dem Rücken und starrte an die Decke. Sie war weiß. Stuckverzierungen in einem unregelmäßigen Karomuster. An der Zimmerdecke hing ein Messingkronleuchter mit drei Glühlampen ohne Schirm. Eine der Glühlampen war kaputt. Über einem Monstrum von Kleiderschrank an der kurzen Wand zum Korridor dröhnte die Luftzufuhr der Klimaanlage, und Carl notierte ohne größeres Interesse, daß das Geräusch es unmöglich machte zu hören, ob sich jemand draußen auf dem Korridor näherte.
    Er versuchte zu lesen, ermüdete aber schon nach weniger als einer Seite. Es erschien ihm ebenso unwichtig wie uninteressant, den Versuch zu machen, sich in die Lebensumstände sizilianischer Gangster in einem Dorf der dreißiger Jahre hineinzuversetzen. Überhaupt erschien ihm die gesamte Situation fast traumhaft und im Grunde unvorstellbar.
    Er war siebenunddreißig Jahre alt, und seine alles überschattende Beschäftigung bestand darin, die Menschen, die er liebte, Tessie, Eva-Britt und Johanna Louise Jönsson-Hamilton, die bald ihren ersten Geburtstag feiern würde, zu belügen und zu betrügen. Er lächelte über den Namen der Kleinen. Angeblich der perfekte Kompromiß, die künftige Möglichkeit, sich entweder Johanna Jönsson zu nennen, wie Eva-Britt es wollte, oder aber auch Louise Hamilton oder eine Namensgebung zu wählen, die ihr selbst zusagte. Solange es nur nicht Jönsson-Hamilton wurde.
    Er lachte kurz und verbittert auf. Nicht wegen des komischen sozialen Klangs - der Mischung eines Namens aus einer vergangenen Gesellschaft, Hamilton, mit einem der »gesteigerten Gleichberechtigung« -, sondern über sich selbst. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er nun eher eine tragische oder eine komische Figur abgab.
    Da er einen großen Teil seiner Zeit darauf verwendete, sich selbst zu bemitleiden, statt den Versuch zu machen, die Dinge zu klären, war er natürlich komisch. Doch es tat auch weh. Es tat so weh, daß es alles verdüsterte und ihn dazu brachte, für lange Zeit die Lust an allem zu verlieren.
    Er mußte es Eva-Britt sagen. Er mußte es tun, sobald er wieder zu Hause war. Das waren sehr einfache Schlußfolgerungen. Ebenso einfach war es, Entschlüsse zu treffen, die mit diesen Schlußfolgerungen im Einklang standen. Es war nur so, daß er dies schon so oft getan und sich selbst dann immer wieder verheddert hatte. Er hatte immer wieder den falschen Zeitpunkt gewählt und sich dann damit entschuldigt, daß er sich vorgestellt hatte, der Schaden würde aus diesem oder jenem Grund bei einem anderen, meist späteren Zeitpunkt geringer sein.
    Das Telefon läutete. Als er den Hörer abnahm, quoll ein Strom italienischer Worte heraus. Er glaubte etwas zu hören, was Adjutant und Oberst und mit Sicherheit Da Piemonte bedeuten konnte. Als er immer wieder versicherte, er könne nur englisch sprechen, folgte ein neuer Wortschwall. Schließlich legte er einfach auf.
    Er legte sich wieder aufs Bett und versuchte sich erneut darauf zu konzentrieren, wie leid er sich tat. Irgendwo mußte es doch Grenzen für sein jämmerliches Selbstmitleid geben; tatsächlich befanden sich zwei arme Kerle, zwei schwedische Direktoren, irgendwo hier auf Sizilien in einer Höhle oder einem Keller. Einem von ihnen fehlte der linke Zeigefinger, und er hatte vermutlich eine stark entzündete und schmerzhaft pochende Wunde. Wahrscheinlich hatten beide auch eine Kapuze auf dem Kopf oder Augenbinden. Sie waren mit an Sicherheit grenzender

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