Unterwegs im Namen des Herrn
Hotel, und man muss um 23 Uhr da sein. Wir wissen aber schon jetzt, dass wir nach 23 Uhr nach Hause kommen werden. Na ja, und da wollte ich fragen, ob es vielleicht doch irgendwo einen Zweitschlüssel gibt, den wir haben könnten …«
»Das heißt BITTE !«, sagt neben mir der Reiseleiter.
Einen Augenblick lang bin ich baff. Ich halte mich für einen gutmütigen Menschen und rege mich nicht über jede Kleinigkeit auf, doch irgendwann ist das Fass voll. Auf meine womöglich ein wenig ungestüm vorgebrachte Frage hin, ob er noch ganz bei Trost sei, versucht der Reiseleiter einzulenken und behauptet, er hätte es nicht so gemeint, aber im Gegensatz zu ihm bin ich ja keiner, der jedem alles verzeiht, zumal ich auch noch nicht die Liebe Gottes erfahren habe.
» SAGEN SIE, GEHT ES IHNEN NOCH GUT? WIE KOMMEN DENN SIE AUF DIE IDEE, MICH HIER ZU MASSREGELN, SIND SIE EIGENTLICH NOCH ZURECHNUNGSFÄHIG ?«
»Es war ja nicht …«
» WAS IST DAS FÜR EINE ART? SIE QUARTIEREN UNS IN EINEM HOTEL EIN, IN DEM ES PFLICHT IST, UM ELF ZU HAUSE ZU SEIN, UND DANN KOMMEN SIE MIT HÖFLICHKEITSTIPPS ?«
»Ich wollte nicht …«
» ICH WAR SCHON IN VIELEN HOTELS AUF DER GANZEN WELT, ABER SPERRSTUNDE GIBT ES NUR IN JUGENDHERBERGEN! ICH HABE EINE PILGERREISE GEBUCHT UND KEINEN GEFÄNGNISAUFENTHALT! UND DANN KOMMEN SIE MIR MIT DER BENIMMSCHULE? «
»Ja, ja, es war ja nicht so gemeint …«
Ich wende mich von ihm ab und sage zum still daneben stehenden Chef:
»Ich hätte gern einen Schlüssel für ein Zweibettzimmer. Und einen für die Eingangstür. BIT-TE !«
Der Hotelchef fummelt in einer Schublade herum und überreicht mir kurz darauf wortlos den Haustorschlüssel, dann den für unser Zimmer.
» DAN-KE !«, sage ich, mehr in Richtung Reiseleiter.
Ich schnappe meine Sachen und trample zum Lift. Unterwegs treffe ich den Tennislehrer. Ich schimpfe drauflos, überraschenderweise schimpft er sofort mit.
»I loss mir vü gfallen, owa irgendwaunn reichts«, sagt er. »Dass de mir sogen, waunn i ins Bett soll, is jo a Witz.« Er zieht sein Handy aus der Tasche. »Kaunn i dei Telefonnummer hom? Für den Obend? Wegn den Schlüssl?«
Wir fahren mit dem Lift nach oben. Auf dem Flur reißt mir eine Tüte, Flaschen und Dosen kullern heraus. Ich drückeIngo den Zimmerschlüssel in die Hand. Er sperrt auf, das Zimmer ist geräumiger als das erste. Einen Fernseher oder eine Minibar gibt es natürlich auch hier nicht. Die Dosen sammle ich auf, die Flaschen kicke ich ins Zimmer. Nachdem ich meinen Koffer neben dem Bett abgestellt habe, schlage ich die Tür zu.
Ich stelle mich unter die Dusche, doch danach bin ich noch immer aufgebracht. Ich sage Ingo, wo ich zu finden sei, er sagt, er würde nachkommen. Er hat die Nase gestrichen voll von allem und will sich den Vortrag von Annalinda Antilopa sparen.
Im Restoran Pivnica unterhalte ich mich mit dem Kellner. Als ich ihm erzähle, dass mein Vater in der Herzegowina geboren wurde, geht ihm das Herz auf: »Bosanac! Brate!«
Er stellt mir zu meinem Bier einen Schnaps aufs Haus hin. Eigentlich habe ich keine große Lust darauf, aber unhöflich möchte ich auch nicht sein. Der Kellner geht ab, und ich entdecke zwei Tische weiter Intschu-Tschuna, der eine Zigarre schmaucht und vor sich ein großes Stück Torte stehen hat. Er streckt den Daumen hoch und nickt mir zu, ich nicke zurück.
Zehn Minuten darauf stellt Ingo seine Fototasche neben mir ab und bestellt Campari. Nur wenig später erscheint der Tennislehrer und entscheidet sich ebenfalls für Bier, zusätzlich bestellt er eine Runde Schnaps, der er bald eine weitere folgen lässt, worauf ich mich gezwungen sehe, auch eine zu bestellen.
Ich bin natürlich wieder viel zu träge und desinteressiert, Ingo aber unterhält sich angeregt mit dem Tennislehrer. Der berichtet, er hätte bis vor kurzem ein Lotterlebengeführt (er drückt es signifikant plastischer aus) und binnen weniger Wochen mit achtzig Frauen geschlafen.
»Am Laund! Do geht des leicht. In der Stodt is des jo viel schwieriger. Aber daunn hot mir der Schaas nix mehr geben. Des Leben muss jo an Inhoit haben, du kaunnst net immer nur Vullgas geben, des ist doch a Dreck.«
»Und die Psychiaterin ist deine Freundin?«, kann ich mir nicht verkneifen zu fragen.
»Naa. Halt nur a Freundin. Sunst nix. Geht’s ihr muang aufn Berg?«
»Er überlegt sichs«, sagt Ingo und zeigt auf mich. »Ich ganz bestimmt nicht.«
»Oiso i werd gehn. Des ist sicher intressant. Maunche rutschen jo auf die
Weitere Kostenlose Bücher