Unterwegs in der Weltgeschichte
übernommenen Waffe tief nach Ãgypten eindrangen und dem Reich eine bis 1570 v. Chr. dauernde Fremdherrschaft aufzwangen. Es waren die ersten Streitwagen der Militärgeschichte â eine primitive Plattform mit Rädern, auf der zwei bewaffnete Soldaten Platz finden konnten â, die Panik bei den ägyptischen Verteidigern auslösten. Einer der beiden Angreifer lenkte das Pferd, der andere war mit Pfeil und Bogen oder einem Speer ausgerüstet. Mühelos überrannten sie die Soldaten des Pharao, die der neuen Kampftechnik nichts Entscheidendes entgegensetzen konnten. Nur flussaufwärts in Theben konnten die Ãgypter ihre Herrschaft bewahren und selber den Umgang mit der neuen Waffe lernen, um allmählich die Hyksos (ägypt. = Fürsten der Fremdländer) wieder aus dem Land zu vertreiben.
Kraftvolle, eigenwillige Persönlichkeiten kennzeichnen insbesondere die 18. Dynastie. Königin Hatschepsut, die ab 1490 v. Chr. als erste Frau den Pharaonenstaat regierte, verstand sich vor allem als Friedensstifterin. Sie sorgte aber für die Aufrüstung des stehenden Heeres und führte einige Feldzüge nach Vorderasien und Nubien. Ihr lang gestreckter, terrassenförmiger Totentempel mit Säulenhallen und Altären im Deir el-Bahari, einem Talkessel von Theben-West (heute Luxor), gehört zu den eigenwilligsten Bauwerken der ägyptischen Architektur.
Dagegen wurde ihr Stiefsohn Thutmosis III. (1490 â1436 v. Chr.) zum groÃen Kriegshelden des Neuen Reiches. In 17 Feldzügen eroberte er Teile Vorderasiens und stieà bis zum Oberlauf des Euphrat vor. An der strategisch wichtigen HandelsstraÃe zwischen Ãgypten und Mesopotamien schlug Thutmosis III. um 1460 v. Chr. einen Aufstand kanaanäischer Fürsten und phönizischer Stadtstaaten nieder. Dem endgültigen Sieg ging eine monatelange Belagerung der Festung Megiddo im heutigen Israel, vielleicht gleichbedeutend mit dem biblischen Armageddon (Offenbarung 16, 16), voraus.
Im Süden erweiterten die Pharaonen ihre Herrschaft bis zum vierten Katarakt. Ãgypten war auf dem Zenit seiner Macht, stand an der Spitze der Völker der damaligen Welt, empfing die Goldlieferungen Nubiens, die Luxusgüter aus dem Weihrauchland Punt, die Tribute des Vorderen Orients, die Gunstbezeigungen des babylonischen Königshofes. Die ägyptische Sonne erreichte den Höhepunkt ihrer Strahlkraft.
Und der Sphinx meldete sich zu Wort. Sie erinnern sich. Er war dankbar, dass er vom Sand befreit wurde. Und er erlebte eine Revolution.
Schon unter Cheops und seinen Nachfolgern war die Sonne mehr und mehr zum Leitgestirn des Götterhimmels geworden. Der Sonnengott Re beherrscht die Szene, wird identisch mit dem Pharao, dessen Nachkommen sich als Söhne des Re fühlen dürfen. Unter dem Titel Aton (ägypt. = Sonnenscheibe) ruft ihn schlieÃlich Amenophis IV. (1364 â1347 v. Chr.), Gatte der Nofretete, zur alleinigen Gottheit aus und begründet damit den ersten monotheistischen Ansatz der Religionsgeschichte. Er lässt die Tempel der anderen Götter schlieÃen, um den radikalen Bruch mit der Vergangenheit deutlich zu machen.
Aber die neue â eher spirituelle, einzig auf das Sonnensymbol gestützte â Religion findet wenig Anklang. Möglicherweise weil sie zu wenig konkret, zu wenig anschaulich ist. Nach dem Tod dieses revolutionären Pharaos, der seinen ursprünglichen, dem von ihm verachteten Reichsgott Amun nachgebildeten Namen abgelegt hatte und sich Echnaton (»Diener Atons«) nannte, kehrt man schnell zur Göttervielfalt zurück. Auch die von Echnaton degradierte Hauptstadt Theben, die er durch seine Neugründung Amarna (Tell el-Amarna) ersetzte, gewinnt wieder an Bedeutung. Neue Residenz wird nun aber das nordägyptische Memphis.
Dafür sorgt Echnatons Sohn, der 1347 v. Chr. als Neunjähriger den Pharaonenthron besteigt und in einer programmatischen Geste seinen Namen von Tutanchaton in Tutanchamun ändert, um den alten Gott wieder zu installieren. Obwohl er nur 18 Jahre alt wurde, zählt er zu den berühmtesten Pharaonen, seit Howard Carter am 4. November 1922 seine goldgeschmückte Grabkammer entdeckte.
Mit Echnatons Tod waren auch die denkmalstürzenden Impulse erloschen, mit denen er nicht nur die Religion, sondern das gesamte geistige Leben seiner Zeit verändern wollte. Sein Name wurde aus den Königslisten gestrichen, seine Inschriften getilgt,
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