Unterwegs in der Weltgeschichte
seinen Rivalen Maxentius vernichtend geschlagen. Religion und Staat waren bei den Römern stets eng verknüpft, und deshalb dauerte es auch nicht mehr lange, bis das Christentum neben dem Judentum zur einzigen religio licita â zur »erlaubten« und staatlich anerkannten Religion â im Imperium wurde und seinen Siegeszug in Westeuropa antreten konnte.
Zweitens veranlasste der Kaiser den groÃzügigen Ausbau der Stadt Konstantinopel â heute Istanbul â, die er am 11. Mai 330 zu seiner wichtigsten Residenz gemacht und offiziell in Nova Roma, neues Rom, umbenannt hatte. Nach dem Tod von Kaiser Konstantin erhielt sie den Namen Constantinopolis . Das ehemals griechische Byzantion entwickelte sich bis zum Mittelalter zur einzigen Weltstadt Europas und zur mit Abstand gröÃten und wichtigsten christlichen Metropole.
14. Wo die Erde den Himmel berührt
J erusalem ist ein Ort, an dem mit Händen zu greifen ist, dass Religionsgeschichte nicht nur ein Teil der Geistesgeschichte ist, sondern Teil der politischen Weltgeschichte, in der es um Besitz- und Machtansprüche geht, um Territorien, um Ressourcen, um Geld. Auf dem Tempelberg drängen sich auf engem Raum die steinernen Zeugen dreier Traditionen: der jüdischen, der christlichen und der muslimischen. Zugleich aber stoÃen mit den drei religiösen Weltsichten harte politische Positionen aufeinander. Was wir Religionskriege nennen, sind ja immer auch gewalttätige Auseinandersetzungen um höchst irdische Dinge, sind rücksichtslose Eroberungen und harte soziale Veränderungen. Selbst wenn zwei Religionen aufeinandertreffen, sind sich beide bald neidisch und kämpfen um Einfluss, Macht und Geld.
Gemeinsam ist den Religionen, die auf Abraham, Jesus und Mohammed zurückgehen, der Glaube an einen einzigen Gott. Alle drei verstehen sich als Religionen des Buches (Juden und Christen ist die Bibel heilig, den Muslimen der Koran) und als »Offenbarungsreligionen«, die sich darauf berufen, dass Gott sich ihren Propheten gezeigt, zu erkennen gegeben hat, wie es in den heiligen Schriften bezeugt ist, etwa in 2. Mose 33,11: »Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Freund mit einem Freunde redet.« Judentum, Christentum und Islam unterscheiden sich durch diesen Glauben an einen einzigen Gott von allen Religionen, die die Welt und den Weg der Menschen durch die Geschichte mit der Präsenz und dem Wirken mehrerer Gottheiten erklären.
In Jerusalem, einer der ältesten Städte der Erde, bringen die archäologischen Ausgrabungen immer deutlicher an den Tag, in welchem Ausmaà vor allem der Tempelberg die historische Bedeutung der jüdischen, christlichen und islamischen Geschichte repräsentiert. Der Bezirk des vom jüdischen König Salomo um 950 v. Chr. erbauten, im Jahr 586 v. Chr. vom babylonischen Herrscher Nebukadnezar zerstörten, später wieder aufgebauten, von Herodes dem GroÃen völlig erneuerten und schlieÃlich im Jahr 70 n. Chr. im Krieg mit den Römern endgültig zerstörten Tempels ist im Lauf seiner Geschichte zu einem Heiligtum für Juden, Christen und Muslime geworden. Die Juden verbinden den Berg mit Abraham, der auf dem Fels seinen Sohn Isaak opfern sollte, mit dem Allerheiligsten des Tempels sowie mit David und Salomo; die Christen mit der Predigt des Jesus von Nazareth; die Muslime mit dem Felsendom, dessen goldene Kuppel über die Altstadt leuchtet, und mit der benachbarten Al-Aksa-Moschee, vor allem aber mit der legendären Himmelfahrt Mohammeds, die von hier ihren Ausgang nahm.
Wenn es irgendwo auf diesem Planeten einen Ort gibt, an dem die blut- und hasserfüllte Geschichte von Juden, Christen und Muslimen auf einen Weg des Verstehens und Versöhnens gebracht werden könnte, dann wäre es der Tempelberg in Jerusalem. Die heutigen Zugangsregelungen spiegeln jedoch zunächst nur die unversöhnlichen Ansprüche, die den Ort zu einem der umstrittensten Plätze der Erde machen. Kann es wahr sein, dass hier der Himmel die Erde berührt? Betrachten wir â nach der jüdischen Religion zwei Kapitel zuvor â zunächst den Weg der Christen. Dem Islam werden Sie wieder begegnen, wenn im siebten Jahrhundert der Religionsstifter Mohammed in die Geschichte eintritt.
Der Glaube der Christen hat seine Wurzeln im Judentum. Wie in jeder Religion gehört auch im Judentum der ständige Abgleich zwischen Ideal
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