Unterwelt
da und betrachte ihn, ja, und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn schlagen will.
Brian hat immer gedacht, ich wäre der Inbegriff der Selbstgenügsamkeit. Vielleicht war ich das. Aber ich habe auch in einem Zustand der stillen Trennung von all den Dingen gelebt, die er das feste Gewebe aus Zuhause und Arbeit und verantwortlicher Wirklichkeit nennen würde. Als ich das mit ihm und Marian herausbekam, spürte ich eine Art stoische Kapitulation. Ihre Namen klangen hübsch zusammen, und sie waren im gleichen Alter, und dadurch war ich von meiner verlogenen Rolle als Ehemann und Vater und leitender Angestellter befreit. Denn selbst der Job ist ein Holzbein. Habe ich mich nur einen winzigen Augenblick lang frei gefühlt, als ich die Geschichte ihrer Affäre hörte, war ich wieder ich selbst? Ich beobachte ihn im Schlaf, denke, wie befriedigend das wäre, zehn ernsthafte Fausthiebe in sein Schuljungengesicht. Aber ebenso befriedigend war der Gedanke, nur einen Augenblick lang, all das aufzugeben, es ihnen alles zu überlassen, die Kinder aus beiden Ehen, die Enkelkinder, sie könnten beide Häuser behalten, alle Autos, meinetwegen beide Frauen, wenn er sie wollte. Nichts von alldem war jemals mein gewesen, höchstens in dem Sinn, daß ich die nötigen Formulare ausgefüllt hatte.
Ich brauche nicht aus dem Stuhl aufzustehen, um gegen die Seite der Pritsche zu treten. Ich strecke nur mein Bein aus und trete zu.
Dann betrachte ich ihn, wie er aufwacht.
»Also. Der schnellste Liebhaber von Mähicko.«
»Was soll das?«
»Alter Witz. Kennst du den Witz nicht?«
»Himmel, ich hab geträumt. Wovon hab ich geträumt?«
»Ein Typ macht sich Sorgen um seine Frau, weil ein berüchtigter Liebhaber die Stadt unsicher macht. Was, den Witz kennst du nicht? Den Speedy-Gonzalez-Witz. Ist uralt. Hat Jahrzehnte gebraucht, bis er von drüben nach hier gekommen ist.«
»Von wo nach hier?«
»Leck mich. Von da.«
Ich trat wieder gegen das Bett.
Er sagt, »Was?«
»Wie lang, Brian?«
»Was, wie lang?«
»Du und Marian.«
»Was willst du damit sagen?«
»Was will ich damit sagen?«
Ich trete gegen das Bett. Er setzt sich auf und legt die Hände übers Gesicht und fängt an, kläglich zu lachen. »Wir haben uns unterhalten, mal mehr, mal weniger. Das ist alles.«
»Widersprich mir nicht.«
»Wir sind, na gut, ab und zu auch vertraulich geworden. Wir waren uns in dieser Weise nahe, aber nicht sehr lange.«
»Und ich rauche eine Zigarre und trinke einen Brandy. Widersprich mir nicht.«
Er schaut mich an. Ich habe keine Zigarre, und ich trinke Wodka.
»Ich meine, jetzt? Ist das jetzt der Zeitpunkt, um dieses Thema zu besprechen? Hier? Können wir nicht irgendeinen passenderen?«
»Sie hat mir alles erzählt.«
Er schaut weg.
»Ich bin bereit, in dieser Sache ganz offen zu sein, aber ich glaube, wir sollten noch mal über den Zeitpunkt nachdenken«, sagt er.
Ich beuge mich vor, den Teller in der linken Hand, und ich haue ihm mit der rechten eine runter. Er kriegt eine Rechte, mit der offenen Hand, schließlich sind wir ja ganz offen in dieser Sache, ich schlage ihm mit der Handwurzel seitlich auf den Kopf – ein symbolischer Schlag, der meine Laune verbessert. Das ist sogar noch besser als Essen. Es ist besser als das Fleisch, der Fisch, die Eier, die Fischeier und der Wodka. Ein prima Gefühl. Ich glaube, wir fühlen uns beide besser.
Sobald er sich an die Erkenntnis gewöhnt hat, daß er gerade geschlagen worden ist, schaut er mich wieder an. Ich weiß, was er sieht, wenn er mich anschaut. Jemanden, der größer ist als er, bereiter zum Handeln, der zwischen ihm und der Tür sitzt. Das ist die Botschaft, die in der Luft summt. Nicht die Worte, die persönlichen Vorgeschichten, der moralische Vorteil oder Nachteil oder welche Bluff- und Gegenbluffmanöver diesen Augenblick verzieren könnten. Es ist die Kraft des Körpers. Welcher Körper den anderen zermalmt. Nicht daß er sich irgendwelche ernsten Sorgen zu machen brauchte. Aber vielleicht doch.
»Wenn du sagst, sie hat dir alles erzählt.«
»Sie hat mir alles erzählt. Wir haben lange geredet. Unser Gespräch hat einige Tage gedauert, mit Unterbrechungen. Sie hat eine Menge erzählt. Sie hat mir alles erzählt. Dann bin ich in den Firmenwagen gestiegen und zum Flughafen gefahren, und da warst du.«
Er grinst mich an.
»Scheißfrauen. Wer sich auf Frauen verläßt, ist verlassen.«
Ich schlage ihm mit der flachen Hand auf ein Ohr. Sein Kopf zuckt eindrucksvoll zur
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