Untitled
ein Mann von Welt, mit Ihnen kann ich anders reden als mit der Polizei. Es liegt ja wohl auf der Hand, daß ein Mädchen wie sie eine Begleitdogge braucht, wenn sie allein in London lebt. Aber auch für einen jungen Mann in meiner Situation kann es sich als nützlich erweisen, mit einem Mädchen auszugehen. Es macht einen besseren Eindruck. Gewisse Befürchtungen werden so im Keim erstickt. Ja, sicher hatte ich Angst, daß sie mich fallenläßt – und diese Angst galt gleichermaßen ihr wie mir selbst.»
«Wie meinen Sie das, Larry?»
«Na ja, sie war ein bißchen naiv. Sie wußte nicht, wie es draußen im Leben zugeht. Sie kennen das: Alle waren lieb zu ihr, niemand würde eifersüchtig sein, es wäre alles ein großer Spaß, und sie würde nie hart arbeiten müssen. Die Schuld ihrer Eltern, wenn Sie mich fragen.»
«Sie haben sie schlecht erzogen?»
«Zu gut erzogen. Sie machten sie glauben, sie sei der Mittelpunkt des Universums.»
«Und das Ende vom Lied war, daß sie einen Beschützer brauchte, und der waren Sie?»
«Exakt. Sie sind ganz schön schnell im Kopf, Peter, alle Achtung.»
«Ich bemühe mich redlich. Aber Sie haben gerade gesagt, Sie hätten Angst gehabt, sie würde …»
«Ja, aber statt dessen schlug das Pendel zur anderen Seite aus. Sie sagte, sie würde mir gute Rollen besorgen, sie würde sich darum kümmern, daß wir beide Engagements kriegen, und wir müßten uns nie wieder Sorgen machen. Ich dachte, sie hat nicht mehr alle Tassen im Schrank, und habe wieder und wieder versucht, ihr klarzumachen, daß sie nur eine Rolle bekommen hatte, und fertig. Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen, Peter, aber ich glaube, nicht einmal die ganz berühmten Schauspielerinnen, die Gertrude Lawrences und die Dorothy Lamours dieser Welt, haben so viele Beziehungen, die sie spielen lassen können. Sicher, sie werden zum Essen eingeladen und vielleicht auch unter die Bettdecke, kann ich mir vorstellen, und man sieht sie ständig von wichtigen Leuten umgeben, aber über die Besetzungsliste entscheiden doch andere.»
«Und sie fing an, so zu reden, nachdem sie ihre erste gute Rolle bekommen hatte?»
«Genau. Hochmut kommt vor dem Fall, das war meine Meinung dazu.»
«Aber trotzdem, sie hatte doch schon tatsächlich einen Termin, für eine neue Rolle vorzusprechen, wenn Tanz in den Morgen abgelaufen war?»
«Das hat sie zumindest gesagt. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. Als sie nach Stunden immer noch nicht wieder draußen war, bin ich hineingegangen, aber man hat mir gesagt, daß dort den ganzen Morgen kein Vorsprechen stattgefunden hätte.»
«Ja, ich habe Ihre Aussage bei der Polizei gelesen. Was glauben Sie denn, was mit ihr passiert ist?»
«Tja, es ist wirklich sehr eigenartig. Ich bin ein bißchen ausfallend geworden, als mich der Hausmeister so abfertigen wollte, und er sagte: ‹Sehen Sie doch selber nach.› Also bin ich hinein und habe im Zuschauerraum und im Foyer nach ihr gesucht. Die Türen zur Straße hin waren übrigens alle abgeschlossen, da konnte sie also nicht herausgekommen sein. Ich bin dann durch die Flure und habe eine Garderobentür nach der anderen aufgemacht, auch die vom Büro des Direktors und von der Kostümkammer – jede gottverdammte einzelne Tür, die ich finden konnte. Ich habe auch nach ihr gerufen. Ich war hinter der Bühne. Alles zwecklos. Ich verstehe nicht, wie sie herauskommen konnte, ohne daß ich sie gesehen habe, aber sie war nicht da.»
«Es ist nicht so einfach, ein ganzes Theater zu durchsuchen», meinte Peter nachdenklich.
«Sie meinen, sie hat sich vielleicht versteckt?»
«Oder sie wurde versteckt.»
«Was für ein schrecklicher Gedanke», sagte der junge Mann. «Das gefällt mir überhaupt nicht.»
«Tut mir leid. Ich wollte Sie wirklich nicht beunruhigen. Eine Sache noch: Hat sie irgend etwas Ungewöhnliches in der Woche vor ihrem Verschwinden gemacht? War sie vielleicht irgendwo, wo sie sonst nie war? Etwas in dieser Art?»
«Nicht daß ich wüßte. An einem Abend ist sie nach Hause gefahren, um ein paar Kleider zu holen – also nach Hampton. Sie ist allein gefahren, ich habe nicht viel für die Vororte übrig. Ich bin lieber mit den Kumpels etwas trinken gegangen.»
«Danke, Larry, Sie waren eine große Hilfe», sagte Wimsey zum Abschied. Bevor er das Haus verließ, klopfte er noch an die Tür der Vermieterin, deren Zimmer sich strategisch günstig direkt neben dem Eingang befand, und handelte die Freigabe von Porsennas Hosen
Weitere Kostenlose Bücher