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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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Zeit zu geben, in den Salon hinaufzusteigen und wieder zu Atem zu kommen.
    Als sie dann nach angemessener Frist nachfolgte, fand sie Lady Severn kerzengerade auf dem Sofa sitzend vor, die Hände auf einem Krückstock übereinandergelegt und die Augen starr und unerbittlich auf die Tür gerichtet. Es war ein großes Zimmer, und während sie auf die Komtesse zuging, war sich Har riet ihrer Arme und Beine unangenehm bewußt. Trotzdem verbuchte die Schriftstellerin in ihr die Besucherin mit der schwarzsamtenen Toque sofort als einen alten kleinen zerrupften Geier.
    «Guten Tag, wie geht es Ihnen?» begrüßte Harriet sie.
    «Bitte, bleiben Sie sitzen. Es ist sehr freundlich von Ihnen, uns einen Besuch abzustatten.»
    «Nicht im geringsten», gab Lady Severn scharf zurück.
    «Reine Neugier. Die ist das einzige Laster, das mir noch geblieben ist. Ich bin letzte Woche neunzig geworden, ich kann mich also aufführen, wie es mir paßt. Und, danke der Nachfrage, ich halte mich ganz gut. Ich wollte mir ansehen, was Peter da geheiratet hat, das ist alles.»
    «Nein, aber ich meine es ernst: Es ist wirklich sehr freundlich von Ihnen. Sie hätten mich ja schließlich auch zu sich bestellen können.»
    «Das hätte ich wohl machen können», sagte Lady Severn, «nur wäre dann garantiert Peter mitgetrottet, um sein Eigentum zu schützen. Wie die Dinge liegen, bin ich zufällig darüber orientiert, daß er uns heute nicht in die Quere kommt.»
    «Er wird traurig sein, Sie verpaßt zu haben.»
    «Vermutlich. Hm. Nun, mein Kind, du scheinst ja ein ganz vernünftiges Gesicht zu haben, sogar mit Augenbrauen. Augenbrauen sind heute aus der Mode gekommen, und ich habe es satt, mir dauernd als Frauen verkleidete Ostereier anschauen zu müssen. Du hast recht ordentliche Züge. Deine Haut sieht ganz gesund aus, vorausgesetzt, es ist nichts weiter als deine Haut.»
    «Bis auf ein bißchen Puder, ja.»
    «Hm. Ganz passabel. Helen Denver ist nicht recht bei Trost. Na ja, und wie gefällt dir das?»
    «Wie gefällt mir was, Lady Severn?»
    «Ein neuer Posten auf der Inventarliste des Wimsey-Besitzes zu sein.»
    «Peter behandelt mich nicht als zum Inventar gehörend.»
    «Natürlich nicht, er hat schon immer ausgezeichnete Manieren gehabt. Im Schlafzimmer übrigens auch, wie man erzählt.»
    Harriet erwiderte ernst: «Ich finde nicht, daß es sich gehört, so etwas zu erzählen.»
    Gegen ihren Willen spielte jedoch ein Zucken um ihre Mundwinkel, und der Geier gluckste in sich hinein.
    «Da hast du ganz recht, meine Liebe, es gehört sich nicht. Du würdest so etwas nie tun, das sehe ich schon. Du solltest vor allen Dingen mir nichts anvertrauen, ich erzähle es sofort weiter. Liebst du ihn?»
    «Ja. Und das können Sie gerne herumerzählen.»
    «Aber warum hast du ihn dann nicht früher geheiratet?»
    «Aus Starrsinn», antwortete Harriet und zeigte ihr Lächeln diesmal offen.
    «Schau an. Du bist wahrscheinlich die erste, die ihn je hingehalten hat. Und was fängst du nun mit ihm an, wo du ihn sicher hast, hm? Leckst du ihm jetzt die Stiefel, oder läßt du ihn Männchen machen und schön bitte, bitte sagen?»
    «Was würden Sie mir denn raten?»
    «Mit offenen Karten spielen», sagte die alte Dame scharf. «Das alte Spiel von Zuckerbrot und Peitsche macht einen Mann nicht besser. Mit dir scheint es ja ganz amüsant zu werden. Die meisten jungen Frauen sind furchtbar öde. Entweder sind sie gleich beleidigt oder sie finden mich zum Schreien komisch. Wie findest du mich?»
    «Ich finde», sagte Harriet, die keinen Anlaß sah, auf halber Strecke haltzumachen, «Sie benehmen sich wie eine Figur in einem Roman. Und ich glaube, Sie machen das absichtlich.»
    «Sehr scharf beobachtet», gestand der Geier zu.
    «Wenn Sie je in einem meiner Bücher vorkommen sollten», fuhr Harriet fort, «werde ich diesen Aspekt ihres Charakters deutlich herausarbeiten.»
    «Schon gut», sagte Lady Severn. «Ich nehme dir sechs Stück ab. Und verspreche dir, am Leben zu bleiben, bis das Buch erscheint. Willst du denn auch mal Kinder haben oder nur Bücher?»
    «Nun», wägte Harriet ab, «es fällt mir leichter, eine klare Aussage über die Bücher zu machen. Von denen weiß ich zumindest sicher, daß ich sie produzieren kann.»
    «Ah ja, ich verstehe», erwiderte Lady Severn, und zum Beweis, daß sie wirklich verstand, fügte sie hinzu: «Du bist ein gutes Mädchen. Du mußt mich einmal besuchen und dir meine Siamkatzen anschauen. Ich züchte welche. Ich habe sechs

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