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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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herein und hatten Sir Jude Shearman im Schlepptau, der drei Theater sein eigen nannte und Harriet mit freundlichem Interesse fragte, ob sie je daran gedacht hätte, für die Bühne zu schreiben. «Nein, tut mir leid. Ich glaube, ich war so darauf fixiert, mein Leben nicht für ein Melodrama zu halten, daß ich von jeder Art von Dramatik ganz abgekommen bin, tout court. »
    «Wissen Sie, ein Roman kann ein sehr guter Roman sein und trotzdem eine hervorragende Grundlage für ein Theaterstück hergeben», meinte er. «Manchmal liest man etwas, und man wittert sozusagen sofort Theaterluft und hat das Gefühl, das eignet sich ausgesprochen gut für eine Adaption.»
    «Ach, das Gefühl kenne ich», entgegnete Harriet. «Jedenfalls in der umgekehrten Richtung. Man sitzt im Theater und spürt deutlich, was für eine schwere Geburt es war, aus dem Roman das Stück zu machen. Haben Sie letzten Monat Von Rang und Namen im Cambridge Theatre gesehen?»
    «Leider nicht», sagte Sir Jude. «Bei Lyrik ist es sogar noch interessanter. Wie finden Sie Mord im Dom ?»
    «Es liest sich großartig», antwortete Harriet. «Im Theater waren wir aber nicht.»
    «Dann sollten Sie unbedingt hingehen», meinte Shearman. «Es funktioniert ganz wunderbar auf der Bühne.»
    «Wird der Erfolg beim Publikum denn nicht grundsätzlich dadurch gemindert, daß es in Versen geschrieben ist?» fragte Wimsey.
    «Wenn es gut genug ist, nicht», antwortete Sir Jude.
    «Ein bestimmtes Publikumssegment brüstet sich gern mit seinem Sinn für gedrechselte Worte.»
    Kurz danach lud Harriet ihren Verleger zum Dinner ein. Mr. Drummond-Taber legte bei dieser Gelegenheit ein exzellentes Benehmen an den Tag, diskutierte klug mit Peter über Mussolini und die Lage in Abessinien und gab nur zweimal seiner Besorgnis über Harriets literarische Zukunft Ausdruck.
    Aber seine bangen, flehentlichen Blicke zwangen Harriet dazu, sich dem Hauptproblem der verheirateten Autorin zu stellen: Bin ich wirklich eine Schriftstellerin, oder bin ich nur eine faute de mieux? Ei ne richtige Schriftstellerin mußte auch etwas schreiben, und zwar jetzt, solange die Hand noch die Kunstfer tigkeit besaß, solange der Kopf noch die Technik beherrschte, solange der Kontakt mit dem Publikum noch da war. Ein kleines Nickerchen, ein kleines Päuschen, die Hände nur ein bißchen ruhen lassen und unter die Bettdecke stecken – und schon würde sie in eine endlose Lethargie versinken und auf die nächste Morgendämmerung hoffen, die womöglich nie mehr anbrechen würde.
    Nein, daran lag es gar nicht. Peter war das Problem. Er hatte es zur Selbstverständlichkeit erklärt, daß sie weiterhin schreiben würde. Er hatte es zur Prinzipienfrage erkoren, daß sie ihrer Arbeit Vorrang vor ihren privaten Verstrickungen zumaß. Aber meinte er denn auch, was er sagte? Es ist nicht jedermanns Sache, seine Prinzipien verwirklicht zu sehen, wenn sie sich als Nachteil für einen selbst herausstellen. Und wenn es je dazu kommen sollte, daß es notwendig war, sich zwischen Harriet Vane und Harriet Wimsey zu entscheiden, dann spielte es keine große Rolle, wie die Entscheidung ausfiel: Allein der Umstand, sich entscheiden zu müssen, wäre das Eingeständnis einer Niederlage. Darüber zu reden half gar nichts. Der einzige Weg, herauszufinden, woran sie war, bestand darin, sich hinzusetzen und zu schreiben und abzuwarten, was kommen würde.
    Das erste, was kam, war die Erkenntnis, daß die neue Geschichte eine Tragödie sein würde. Die früheren Bücher, geschrieben in einer Periode, als ihre Autorin sich durch einen finsteren Sumpf von Elend und Verzweiflung kämpfte, waren alle geistreiche Komödien gewesen. Dagegen schien die unmittelbare Wirkung von körperlicher und emotionaler Befriedigung darin zu bestehen, daß sich die Gestalten der Hölle erhoben. Harriet linste neugierig über den Rand ihrer Phantasie hinaus und sah, wie sich vor ihrem inneren Auge ein Drama von gequälten Seelen in frappierender und verführerischer Vollständigkeit entfaltete. Es fehlte nur ein Fingerschnippen von ihr, und die Puppen würden leben und sich bewegen. Sie war leicht verblüfft und wandte sich zwecks Analyse dieses interessanten psychologischen Paradoxons (eher entschuldigend) an Peter. Dessen einziger Kommentar lautete: «Du erleichterst mich unbeschreiblich.»
    Solchermaßen ermutigt, wenn man es so auffassen wollte, machte sie sich ans Zusammenbrauen ihres Höllenbreis. Am Ende einer Woche Arbeit sah sie sich

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