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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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sie ein Wolkenbruch darüber hinweg, weiter geht die Reise in den mittleren Kanal, dann in den unteren, bis sie schließlich in die Themse treibt und einen Skipper erschreckt. Entspräche das deinen Vorstellungen? Es könnte natürlich auch sein, daß es da Gitter und Schleusen und solche Dinge gibt. Wenn du möchtest, finde ich das für dich heraus.»
    «Für die Sache der Literatur können wir die Gitter wohl au
    ßer acht lassen», sagte Harriet.
    «Wie ich dich um deine Fähigkeit beneide, je nach Belieben mit den Fakten umzuspringen», meinte Peter.
    «Ich werde mir wohl überlegen müssen, ob ich den Tatort nicht vom Land in die Stadt verlege. Aber danke, Peter, du hast mir sehr geholfen.»
    «Stets zu Diensten», sagte Seine Lordschaft Laurence Harwell sah seine Gattin an. Er. «Was nun die Auswirkungen angeht, die ein längerer Aufenthalt in schmutzigem Wasser auf eine Leiche hat …»
    «Zum dritten», murmelte Harriet sehr gemütsbewegt, «ist euch die Ehe gegeben, damit der eine dem anderen Gesellschaft sei, ihm Hilfe leiste und Trost spende.» Sie nahm ihm gegenüber am Tisch Platz, und beide versenkten sich mit Feuereifer in die Empirie der Verwesung.

4
    Es ist erstaunlich, wie vollkommen die Illusion ist, daß das Schone auch das Gute ist.

    LEO TOLSTOI

    Man kann eine Frau nicht hoch genug überschätzen.

    KARL KRAUS

    Es war Paul Delagardie, der das Epigramm prägte: «Mit den Frauen sollte man es halten wie mit seinen Hemden, eine Sorte für den Tag und eine für die Nacht.» Und als er darauf hingewiesen wurde, daß diese Lösung sowohl im Widerspruch zu den Gesetzen als auch zur Moral stand, zuckte er mit den Schultern und fügte hinzu: « Pour être bonne femme il faut être bonne à tout faire – eine gute Ehefrau muß alle Arbeiten beherrschen.» Das Gesetz (der Eule der Minerva gleich, sieht es bei Nacht besser als am Tage) schert sich in seiner unendlichen Weisheit weniger um Tisch als Bett. Dabei setzt es voraus, daß in der einen Sphäre Zufriedenheit zu finden auch die Befriedigung in der anderen Sphäre nach sich zieht. Für diese Einstellung hat das Gesetz seine ganz eigene Rechtfertigung, sind seine Augen doch fest auf die Vererbung von Eigentum gerichtet. Es ist jedoch ein verbreiteter Irrtum, insbesondere bei Menschen, die darin ungeübt sind, schöpferische Phantasie auf die Kunst des Lebens anzuwenden, daß das, was man auf dem Karussell des Tages verloren hat, auf der Schaukel der Nacht wiederzugewinnen sei. Mr. Delagardie saß dieser Täuschung nicht auf, und daher blieb er Junggeselle. Er war viel zu bequem und egoistisch, als daß er seine Einsichten auf seine eigenen Belange angewendet hätte. Es bereitete ihm viel größeres Vergnügen, sich zurückzulehnen und den anderen bei ihren Fehlern zuzuschauen, als ihnen mit strahlendem Beispiel voranzugehen.
    Trotz dieser abgeklärten Fassade blieb aber doch ein empfindlicher Punkt. Seinen Neffen Peter unglücklich verheiratet zu wissen würde, das stand zu befürchten, seiner Verdauung schaden. Entgegen seiner sonstigen Vorgehensweise hatte er schon im Vorfeld angeboten, Peter von seinem reichen Fundus weltlicher Weisheit profitieren zu lassen – in diesem speziellen Fall darum bemüht, ein Unheil abzuwenden, anstatt sich später bloß daran zu weiden. Daß zum Temperament seines Neffen auch dunkle Winkel gehörten, in die das kalte Licht seiner eigenen Schläue nicht vorzudringen vermochte, war ihm auf das unangenehmste bewußt. Inzwischen fast dreißig Jahre lang hatte er Peter dabei geholfen, Tag und Nacht säuberlich voneinander getrennt zu halten, wobei er jedoch immer wußte, daß Peter diese Sonderung als völlig künstlich empfand. Nun, da sich sein Neffe der gefahrvollen Synthese verschrieben hatte, hielt er sich behutsam zurück, denn wenn man ihm im Labor schon nicht zur Hand gehen kann, sollte man es tunlichst vermeiden, den Experimentator auch noch anzurempeln. Die Rolle des Zuschauers war immer sein métier gewesen; die des beunruhigten Zuschauers war neu für ihn. Als sie sich in Paris getroffen hatten, war das Gesicht seines Neffen ein Buch mit sieben Siegeln für ihn gewesen. Es war das Gesicht eines Mannes, für den nichts selbstverständlich war.
    Laurence Harwell dagegen war es von Kindheit an gewohnt, alles als selbstverständlich anzusehen. Selbstverständlich war er wohlhabend geboren, selbstverständlich war er im Internat beliebt, und selbstverständlich hatte er, ohne sich übermäßig anzustrengen, die

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