Untitled
Universität mit einem ganz ordentlichen Abschluß verlassen. Sein ererbter Anteil an den Investitionen seines Vaters war in zuverlässigen Händen, und seinen fortdauernden Wohlstand sah er als genau in dem Maß selbst verständlich an, wie dies für einen Mann mit Verstand vernünftig war. Aufgrund seiner Lektüre, wußte er, daß Reichtum heutzutage nutzbringend eingesetzt werden sollte. Er sah ein, daß das Streben nach bloßem unproduktivem Vergnügen schlecht angesehen war und daß ein wenig Kunst und Literatur noch nie jemandes Reputation geschadet hatte. So war er zu dem Schluß gelangt, daß das Theater nicht der unangenehmste Ort war, überschüssiges Geld in Bewegung zu halten. Wie die meisten Leute ging auch er selbstverständlich davon aus, ein gutes Stück schon am Text erkennen zu können, und auf der Basis dieser Annahme hatte er eine Reihe von Flops finanziert. Die zweite Annahme, ein gutes Stück zu erkennen, wenn er es aufgeführt sah, war bei ihm allerdings weit mehr gerechtfertigt als bei den meisten Leuten, so daß er mit den Stücken, die er aus der Provinz nach London holte, insgesamt recht erfolgreich war. Er hatte nie ganz begriffen, warum manche seiner Produktionen gescheitert waren und andere nicht, da ihm kein analytischer Verstand zu eigen war. Die Theaterdirektoren, deren philosophische Methode sich auf empirische Beobachtungen beschränkt, verfolgten seine Erfolgsgeschichte, ohne sich den Kopf über die Gründe zu zerbrechen: Sie taten alles, um ihn dazu zu bewegen, Probeaufführungen zu besuchen, aber die Manuskripte, die er ihnen vorschlug, nahmen sie mit äußerster Vorsicht entgegen. In Wirklichkeit war jedoch nichts Tiefgründiges an seinem Erfolg. Er war nicht fähig, ein Stück bei der Lektüre des Manuskripts vor seinem geistigen Auge erstehen zu lassen, denn es fehlte ihm die schöpferische Phantasie. Wurde ihm aber ein Stück vorgeführt, so war keine Phantasie vonnöten – er sah es als selbstverständlich an, daß das, was ihm gefiel, auch dem britischen Publikum gefallen würde, und er hatte recht, denn hinsichtlich Geschmack und Bildung war er das britische Publikum.
So hielt er eine Reihe von weiteren Dingen für Selbstverständlichkeiten, die auch gemeinhin als solche gelten, und dar unter ganz besonders jene Kongruenz von Tag und Nacht, auf der das gesamte Eherecht beruht. Für ihn war seine Ehe ein Erfolg, weil der Nachthimmel im Glanz der prächtigsten Sternbilder erstrahlte und die Luft voll tropischer Hitze und in Sinnlichkeit getaucht war, wie stets, wenn Sirius sich der Sonne nähert. Folgte dann mitunter mittags eine Atmosphäre des Schirokko, dann war das an den Hundstagen nicht weiter verwunderlich. Wenn diese eine Sache stimmte, dann stimmte alles andere gewiß auch, das war sein unverrückbarer Grundsatz. Zugegeben: oft mußte das Glück umworben, erfleht und erkämpft werden, aber er nahm es als selbstverständlich hin, daß Frauen eben Frauen waren – eine Frau kam seinem Verlangen nicht einfach entgegen und wenn doch, dann stimmte etwas nicht mit ihr. Sie hatte vor der Leidenschaft eine instinktive Scheu, doch gerade diese Scheu entfachte ihre Leidenschaft, wie gegen ihren Willen. Wenn sie dann widerstrebend nachgab, war es das Mitleid, das sie zu dieser Erwiderung trieb. Keine Leidenschaft ohne Mitleid, kein Mitleid ohne Liebe, so daß ihre Leidenschaft den untrüglichen Beweis für ihre Liebe lieferte. Da jeder Liebesakt ein Akt des Nachgebens war, war es auch richtig, dafür dankbar zu sein – ihre Kapitulation war so voller Schönheit –, dankbar zu sein für ein berauschendes Kompliment, das einen ständig neu mit dem Bewußtsein erfüllte, etwas errungen zu haben. Denn dieses Territorium war niemals endgültig eingenommen. Der große Alexander, wäre er ein Liebhaber gewesen, er hätte nie nach fremden Welten greifen müssen, um sie zu erobern – es hätte ihm genügt, ein und dieselbe Welt immer aufs neue zu gewinnen.
Es gab jedoch Momente, in denen Harwell diese endlosen, sich ständig wiederholenden Feldzüge ermüdeten. Dem Sieg so nahe zu kommen, eine so vollständige Eroberung zu vollbringen und sich dann doch nie zurücklehnen zu können, um das Errungene in Frieden zu genießen, sondern erneut das Bollwerk berennen zu müssen – darin lag etwas Verwirrendes. Er glaubte, daß es tatsächlich Ehemänner gab, denen es gelang, in dieser Frage mit ihren Frauen zu einer friedlichen Übereinkunft zu kommen. Das waren die Männer, die in
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