Untitled
Mutter.»
«Ich muß schon sagen», erklärte Harwell, der mit seiner eigenen Verwirrung hatte fertig werden müssen, «es ist mir unverständlich, warum er sie geheiratet hat. Er hätte doch eine viel bessere Partie machen können. Sie ist doch ein Niemand und sieht noch nicht einmal besonders gut aus. Und gab es da nicht auch einen dunklen Punkt?»
«O ja, eine ganz scheußliche Geschichte. Er hat sie vor dem Zuchthaus oder noch Schlimmerem bewahrt. Ich weiß nicht mehr genau. Eine hervorragende Gelegenheit, sie seine Überheblichkeit spüren zu lassen. Er ist wahrscheinlich einer von denen, die immer und überall im Mittelpunkt stehen müssen.»
«Also, mir kam er nicht überheblich vor», widersprach Mr. Warren. «Ein sehr freundlicher Mann. Ich habe ihm natürlich erklärt, also beiden, das tue ich immer, in welcher Lage ich bin. Ich möchte den Leuten nichts verheimlichen.»
«Vater, lieber Vater, warum nur mußt du dich immer erniedrigen? Das ist doch völlig unangebracht.»
«Ich kann nun einmal nicht aus meiner Haut», beharrte Mr. Warren. «Er meinte, ich hätte viel Pech gehabt. Na, und so war es ja auch. Sehr viel Pech. Mir ist übel mitgespielt worden.»
«Na, na, Dad», beruhigte ihn Harwell, «wir alle machen Fehler, und es gibt eben Halunken, die das ausnutzen. Man muß halt auf der Hut sein, das ist alles. Wir müssen ja nichts mit diesen Leuten zu tun haben, wenn du nicht willst, Darling. Laß mich nur machen. Wir laden sie einfach an einem Tag zu uns ein, von dem wir wissen, daß sie nicht kommen können, und dann ist der Fall erledigt. Ich will nicht, daß du zu etwas gezwungen wirst, was dir zuwider ist.»
«Wenn du natürlich den Mann für irgend etwas brauchst …»
«Ich brauche niemanden. Wenn du ihn nicht leiden kannst, dann ist das Grund genug für mich. Wir kommen ohne ihn klar.»
«Oh, Peter, ich war dir ja so dankbar, daß du Mr. Warren mitgenommen hast. Du bist wirklich der Takt in Person.»
«Ein nervenaufreibender alter Idiot. Er hat es sicher nicht böse gemeint, aber es gibt auch keinen Grund dafür, daß du dir so etwas anhören mußt. Er hat sich bestimmt gar nicht mehr daran erinnert.»
«Oh, das!» (Also war es Peter doch entgangen. Er hatte nur
an sie gedacht. Das sah ihm ähnlich.) «Damit hatte ich überhaupt kein Problem. Übrigens konnte er sich sehr wohl noch erinnern, aber er war nicht sonderlich beeindruckt von meinem Erlebnis. Weißt du, ich bin keine echte Zuchthäuslerin, ich war ja bloß Untersuchungsgefangene. Er war ein richtiger Gefangener und ist auf eine ganz verdrehte Weise ziemlich stolz darauf. Ich nehme an, daß sein Stolz eine Art Abwehrmechanismus ist. Wahrscheinlich lassen sie ihn zu Hause seine Lage ganz schön spüren. Und gewöhnlich hält man ihn wohl in Beachington von der Außenwelt fern.»
«Armer alter Teufel! Weiß den lieben langen Tag nichts Gescheites mit sich anzufangen. Kein Wunder, daß er einmal ein bißchen Dampf ablassen wollte. Und wenn es dir nichts ausmacht … Aber wie auch immer, ich fand, es wurde zunehmend anstrengend.»
«Stimmt. Peter, willst du Chapparelle wirklich ein Portrait malen lassen?»
«Ich würde gerne eins haben, vorausgesetzt, du kannst die Zeit entbehren, und es macht dir nichts aus. Nicht daß ich mythologisch verzierte Urnen und beseelte Büsten wirklich brauchte, um daran erinnert zu werden, was für ein Segen du für mich bist. Aber ich hatte dich manchmal im Verdacht, eine nicht zu rechtfertigende Bescheidenheit zu pflegen. Ich möchte, daß Chapparelle dir zeigt, wie du bist.»
«Oh! Liebster, könnten deine Komplimente manchmal nicht auch ein wenig – frivoler ausfallen? Bedeutet dir alles denn so viel?»
«Nein, nicht alles. Nur alles, was mit dir zu tun hat.»
«Du mußt da langsam herauswachsen, Peter.»
«Zu spät. Ich bin nicht mehr im Wachstum. Allenfalls droht meinen Gliedmaßen fortan, in einer Haltung der Anbetung der Gelenkversteifung anheimzufallen. Die Zeit wird mich in Stein verwandeln. Die Seele ist sich selbst ihr Monument. Wie gewisse Dichter, auch einige von deinen, schon gesagt haben. Chapparelle müßte inzwischen eigentlich zu Hause angekommen sein. Ruf ihn doch an, und mach einen Termin aus.»
6
Seht hier, auf dies Gemälde, und auf dies …
WILLIAM SHAKESPEARE
Ich würde mir lieber das Bildnis eines Hun
des ansehen, den ich erkenne, als sämtliche
allegorischen Gemälde der Welt.
SAMUEL JOHNSON
Liebe Mrs. Harwell,
Sir Jude Shearman war gestern hier und
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