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erwähnte zufällig, daß er auf der Suche nach «ungewöhnlichen» Theaterstücken ist, um sie im Swan-Theater zur Aufführung zu bringen. Wie Sie wissen, gibt er dort interessanten Projekten für eine kürzere Laufzeit eine Chance, und es besteht immer die Möglichkeit für Stücke, die ein kommerzielles Potential zu haben scheinen, danach in einem anderen Theater zu laufen. Ich habe im Gespräch mit Sir Jude Mr. Amerys Namen fallenlassen, und er sagte, er kenne dessen Bücher und sei sehr daran interessiert, sich anzusehen, was er für das Theater geschrieben habe. Vielleicht ist Mr. Amery der Auffassung, es könne sich lohnen, Sir Jude ein Manuskript zu schicken.
Wie schade, daß wir letzte Woche verhindert waren und uns nicht mit Ihnen und Ihrem Gatten zum Mittagessen treffen konnten. Hoffentlich haben wir ein andermal mehr Glück!
Mit herzlichen Grüßen,
Harnet Wimsey
«Verflixt!» dachte Rosamund. Nicht daß sie nicht selbst auch
schon auf das Swan gekommen war – sie hatte Laurence mehrfach darum gebeten, sie mit Shearman zusammenzubringen, war aber immer auf eine Mauer des Widerwillens gestoßen. Es hatte den Anschein, als ob Laurence den Mann aus irgendeinem Grund nicht leiden konnte.
In der Tat hatte Sir Jude vor drei Jahren Laurence Harwells Anstoß erregt, als er mit einem hochpoetischen Intellektuellendrama, das zu produzieren Laurence unter seiner Wurde erachtete, einen unglaublichen Kassenschlager gelandet hatte. Als typischer Mann aus dem Norden, der mit seiner Meinung nur ungern hinter dem Berg hielt, legte Sir Jude gewissen Wert darauf, Harwell seinen Triumph jedesmal unter die Nase zu reiben, wenn sie sich nach einer Premiere zufällig in einem Lokal trafen. Harwell pflegte stets zu entgegnen, daß man wohl bei jedem Stück mit heiler Haut davonkommen könne, wenn man die Produktion dermaßen aufwendig gestalte und auf ein snobistisches Publikum rechnen dürfe. Das änderte allerdings nichts an der Tatsache, daß diese dümmliche Inszenierung (in jeder Hinsicht absolut pseudo) achtzehn Monate lang im West End gelaufen war, bevor sie sich auf eine überaus ertragreiche Gastspielreise durch die Provinz machte und anschließend in den Vereinigten Staaten bahnbrechende Erfolge feierte. Diese Angelegenheit war sehr deutlich eine Beleidigung des eigenen Urteilsvermögens. Da all dies aber vor Harwells Eheschließung stattgefunden hatte, wußte Rosamund nichts von dieser Sache. Ihr Ehemann bezeichnete Shearman nun immer als einen Primitivling und skrupellosen Geschäftsmann, der die Hälfte der Londoner Theater im Würgegriff hielt, womit er nicht unrecht hatte, und vermutlich war er selbst aufrichtig davon überzeugt, daß darin der einzige Grund für seine Abneigung lag.
Es kam wirklich ungelegen, daß Rosamund sich ausgerechnet jetzt den Wimseys gegenüber zu etwas verpflichtet fühlen sollte, wo sie gerade beschlossen hatte, sie nicht zu mögen. Und Claude würde in gewisser Weise sehr enttäuscht sein. Mit wel cher Wonne hätte sie zu ihm gesagt: «Claude, mein Lieber, ich habe Sir Jude Shearman dazu bewegt, zu versprechen, daß er dein Stück liest!» Und mit welcher Wonne hätte er das gehört. Er war ihr so ergeben – bis zur Selbstaufgabe – und war so begierig darauf, ihr seinen Dank für ihre Nettigkeiten zu bezeugen. Nun jedoch war ihr das kleine Schauspiel von Freude und Dankbarkeit verdorben, weil sie hinzufügen mußte: «Und vergiß nicht, ihn daran zu erinnern, daß er mit Lady Peter darüber gesprochen hat.» So waren sie alle, diese Theaterdirektoren: Nichts würden sie lesen, solange man ihnen nicht eine Gedächtnisstütze mit persönlichem Bezug mitlieferte. Der arme Claude würde seine Dankbarkeit zwischen ihr und einer völlig Fremden aufteilen müssen, was ihn bald erschöpfen würde. Und sie müßte in der Zwischenzeit Lady Peter eine Antwort zukommen lassen, in der sie ihrer Wertschätzung Ausdruck verleihen müßte. Es würde sich ausgesprochen schwierig gestalten, nicht in gegenseitige Bezeugungen der Gastfreundschaft verwickelt zu werden, die dann selbstredend unter der distinguierten Schirmherrschaft von Peter Wimsey stattfänden, von dessen ganzem Charakter sie so überaus unangenehm berührt war.
«Laurence, was ist Sir Jude Shearman eigentlich für ein Mensch?»
«Shearman? Ach, eben einer von diesen großspurigen Provinzlern aus dem Norden, die nicht wissen, wie man sich zu benehmen hat. Hat sich zweimal scheiden lassen. Das erste Mal kann es ja noch die
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