Untitled
jemand wie Sie nicht?«
Brophy imitierte mit der Hand eine Pistole und schoss auf mich. »Er will Killer , Mann. Ich bin kein Killer. Ich bin ein Lover. Stimmt's, Agentin Cavalierre?«
A lles, was Brophy uns erzählt hatte, war äußerst beunruhigend und durfte nicht an die Presse dringen. Jemand, der sich Superhirn nannte, führte Einstellungsgespräche mit ProfiMördern und heuerte sie an. Nur Killer. Was hatte er als Nächstes vor? Weitere Banküberfälle mit Geiselnahme? Was, zum Teufel, spielte sich in diesem »Superhirn« überhaupt ab?
Abends nach der Arbeit schaute ich noch im Krankenhaus vorbei. Jannie ging es prima, aber ich blieb trotzdem noch eine Nacht bei ihr. Das St. Anthony's wurde mein zweites Heim. Jannie nannte mich schon »Zimmergenosse«.
Am nächsten Morgen watete ich durch Aktenberge über verärgerte ehemalige Angestellte der Citibank, der First Virginia und der First Union; ferner ging ich Eintragungen über sämtliche Personen durch, die irgendwann ernsthafte Drohungen gegen diese Banken geäußert hatten. Die Stimmung im FBI-Büro konnte man nur mit stiller Verzweiflung beschreiben. Keine Spur von der Erregung und dem Stimmengewirr, die sonst Hinweise, Fortschritte jeglicher Art oder Fahndungserfolge begleiteten. Immer noch hatten wir nicht einen einzigen konkreten Verdächtigen.
Für gewöhnlich kümmerte sich eine innerbetriebliche Untersuchungsabteilung des Sicherheitsdienstes um Drohungen und die Post von Spinnern. Die üblichen Hassbriefe stammen meist von Menschen, denen ein Kredit verweigert wurde oder deren Häuser man zwangsversteigert hatte. Hassbriefe können ebenso von Frauen wie von Männern kommen. Den psychologischen Profilen zufolge, die ich an diesem Vormittag las, waren es für gewöhnlich Personen, die am Arbeitsplatz Probleme hatten oder in finanziellen oder häuslichen Schwierigkeiten steckten. Gelegentlich kam es zu ernsthaften Drohungen gegen Banken wegen der Behandlung seitens der Angestellten oder wegen ihren Verbindungen zum Ausland, zum Beispiel Südafrika, Irak oder Nordirland. Post für die Großbanken wurde im Postraum geröntgt, und es gab häufig falschen Alarm. Weihnachten wurde er oft durch Grußkarten mit Musik ausgelöst.
Diese Arbeit war ermüdend, aber notwendig. Sie gehörte zu meinem Beruf. Gegen ein Uhr blickte ich zu Betsey Cavalierre hinüber. Sie saß wie wir alle an einem schlichten Metallschreibtisch und war hinter Papierbergen versteckt.
»Ich muss mal kurz weg«, sagte ich zu ihr. »Da ist ein Kerl, den ich überprüfen möchte. Er hat mehrere Drohungen gegen die Citibank ausgestoßen und wohnt in der Nähe.«
Betsey legte den Stift weg. »Ich komme mit, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Kyle sagt, er vertraut Ihren Ahnungen.«
»Schauen Sie sich an, wie weit es Kyle gebracht hat«, sagte ich und lächelte.
»Eben«, sagte Betsey und zwinkerte mir zu. »Gehen wir.«
Ich hatte die Akte über Joseph Petrillo immer wieder studiert. Sie unterschied sich von allen anderen. Der Direktor der
Citibank in New York hatte während der vergangenen zwei Jahre wütende, ja bösartige Briefe von Petrillo erhalten. Petrillo hatte von Januar 1990 bis vor zwei Jahren als Sicherheitsmann für die Bank gearbeitet. Man hatte ihn wegen Sparmaßnahmen entlassen, die jede Abteilung der Bank betrafen, nicht nur den Sicherheitsbereich. Doch Petrillo akzeptierte weder diese Begründung noch irgendetwas anderes, womit die Bank seine Kündigung zu erklären versuchte.
Irgendetwas am Tonfall seiner Briefe hatte mich alarmiert. Sie waren flott geschrieben, intelligent, aber es gab auch Anzeichen für Verfolgungswahn, möglicherweise sogar Schizophrenie. Bevor Petrillo für die Bank gearbeitet hatte, war er in Vietnam Captain gewesen. Ein Offizier, der an der Front gekämpft hatte. Die Polizei hatte ihn wegen der Drohbriefe befragt, doch eine Anklage war nicht gegen ihn erhoben worden.
»Das muss wohl eine Ihrer berühmten Eingebungen sein«, sagte Betsey, als wir zum Haus des Verdächtigen an der Fifth Avenue fuhren.
»Es ist eine dieser berühmten schlimmen Eingebungen«, sagte ich. »Der Detective, der Petrillo vor einigen Monaten befragt hat, hatte ebenfalls ein ungutes Gefühl. Aber die Bank hat sich geweigert, die Sache weiterzuverfolgen.«
Im Gegensatz zu ihrer Namensschwester in New York war die Fifth Avenue in Washington eine Straße mit billigen Mietwohnungen, die am Rand des vornehmen Capitol Hill verlief. Früher hatten dort vor allem
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