Untitled
beobachtet durchs Fenster ein paar Eichhörnchen und wünscht, er könnte sie schießen. Massingham träumt von William, Hoban haßt uns alle miteinander, und Dr. Conrad spricht von perfekter Harmonie. Wir werden handeln wie ein Mann - fast. Eine geschlossene Offshore-Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung - fast. Wir sind Vorzugsaktionäre - fast, wenngleich einige von uns bevorzugter sein werden als andere. Derlei geringfügige Unterschiede kommen in den besten Familien vor. Wir sind steuerlich neutral - anders gesagt, wir zahlen keinerlei Steuern. Wir haben unseren Sitz auf den Bermudas und in Andorra, wir sind praktisch gleichberechtigte Nutznießer eines Firmenarchipels, das sich von Guernsey über Grand Cayman bis nach Liechtenstein erstreckt, und Dr. Conrad, der große internationale Anwalt, ist unser Beichtvater, oberster Steuermann und Verwalter unserer Firmenkasse, er dirigiert die Bewegungen unseres Kapitals und unserer Einnahmen entsprechend den Anweisungen, wie sie ihm von Zeit zu Zeit vom Hause Single erteilt werden: Fingerweg und keine Namen nennen. Und alles läuft reibungslos - bis zum Lunch sind nur noch wenige Absätze von Dr. Conrads mustergültigem Planungspapier zu besprechen -, als Randy Massingham zu Olivers Verblüffung mitten in dieses komplizierte, dementierbare, auf Distanz gehaltene Getriebe die Spitze eines eleganten Wildlederschuhs schiebt und von seinem einflußreichen Platz zwischen Hoban und Jewgenij mit schleppender Stimme bemerkt:
»Kaspar, mir ist bewußt, daß ich hier gegen die Interessen des Hauses Single zu sprechen scheine. Dennoch: wäre es alles in allem nicht ein klein wenig demokratischer, wenn unsere Instruktionen an Ihre wunderbare Person von Tiger und Jewgenij gemeinsam erlassen würden, statt allein von meinem unvergleichlichen Direktor? Ich versuche nur, eventuellen Reibereien vorzubeugen, Ollie«, erklärt Massingham in aufreizend ungezwungenem Ton. »Besser, wir bügeln unsere Differenzen hier und jetzt aus, als daß sie uns später in den Hintern beißen. Falls Sie meiner Argumentation folgen können.«
Oliver kann mühelos folgen. Massigham spielt alle Seiten gegeneinander aus und stellt sich selbst dabei als wohlmeinenden Freund dar. Aber für Tiger ist er nicht schnell genug, denn der hat schon verstanden, kaum daß Massingham zu Ende gesprochen hat:
»Randy, ich danke Ihnen sehr für Ihre weise Voraussicht, Ihre Geistesgegenwart und - darf ich sagen? - Ihren Mut, einen dermaßen entscheidenden Punkt ein wenig voreilig zur Sprache zu bringen. Ja, wir brauchen eine demokratische Partnerschaft. Ja zur Teilung der Macht, nicht bloß im Prinzip, sondern von Grund auf. Im Augenblick jedoch geht es nicht um Macht. Sondern darum, daß Dr. Conrad eindeutige Anweisungen erhalten soll, und zwar eindeutig von einer Stimme. Dr. Conrad kann seine Anweisungen doch nicht von einem Babel entgegennehmen! Habe ich recht, Kaspar? Er kann nicht Anweisungen von einem Komitee entgegennehmen, nicht einmal, wenn es so harmonisch ist wie das unsere! Kaspar, sagen Sie ihm, daß ich recht habe. Oder unrecht. Das ist mir gleich.«
Und natürlich hat er recht und behält recht, bis man im Dolder Grandhotel Platz genommen hat.
Dr. Conrad sprach von falschen Höflingen. Von Ränkeschmieden. Von Leuten, die sich zusammentun und gegen ihren Wohltäter wenden. Dr. Conrads Furcht vor solchen Leuten war mit Händen zu greifen und steigerte sich noch, je Höflinge. Englische. Er sprach mit Auslassungen und teilweise im Flüsterton, und seine kleinen Schweinsaugen wurden immer größer. Seine Höflinge waren namenlose Höflinge, die sich an namenlosen Verschwörungen beteiligten; er selbst sei nicht im entferntesten daran beteiligt, Ehrenwort. Aber die Höflinge träten dennoch auf den Plan, und diese Weihnachten sei ihr Rädelsführer Dr. Mirsky »der, wie ich Ihnen im absoluten Vertrauen sagen darf, nicht nur einen entsetzlichen Ruf hat, sondern auch eine wunderschöne Frau mit langen Beinen, vorausgesetzt, sie ist seine Frau, was man bei einem Polen wie Dr. Mirsky ja nie so genau wissen kann«. Er atmete keuchend aus, zückte ein seidenes blaues Taschentuch und fuhr sich damit über die schweißbedeckte Stirn. »Ich werde Ihnen sagen, was ich Ihnen sagen darf, Oliver. Ich werde Ihnen nicht alles sagen, aber ich werde Ihnen so viel sagen, wie ich mit meinem beruflichen Gewissen vereinbaren kann. Können Sie das akzeptieren?« »Muß ich ja wohl.«
»Ich werde nichts ausschmücken, ich
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