Untitled
machen. Für dich ist das nicht wichtig. Für mich ist es alles. Ich bin keine Natascha.«
»Was ist schlimmer als Blut?« fragt er und hält ihren Arm fest. »Was für eine Sünde soll ich angeblich begehen?«
Sie küßt ihn so zart und traurig, daß er den Wunsch verspürt, noch einmal und in Ruhe mit ihr anzufangen. »Mit Blut hast du dich nur selbst vernichtet«, antwortet sie und nimmt sein Gesicht in beide Hände. »Mit diesem neuen Geschäft wirst du dich selbst vernichten, und Paul, und viele viele Kinder und ihre Mütter und Väter.«
»Von was für einem Geschäft redest du?«
»Frag deinen Vater. Ich bin mit Hoban verheiratet.«
»Jewgenij hat sich wieder gefangen«, bemerkt Tiger am nächsten Abend anerkennend. »Er hatte einen Rückschlag, er hat sich davon erholt. Randy hat ihm neues Leben eingehaucht. Mit Hobans Unterstützung.« Oliver sieht über Jewgenijs runzlige Wangen die Tränen laufen, als er kampfbereit den Blick auf das Tal und die Lichter richtet. Noch haftet Zoyas Duft an ihm, er kann ihn durch sein Hemd riechen. »Träumt immer noch von seinem guten Wein, das freut dich bestimmt. Ich suche ein paar Bücher über Weinbau für ihn heraus. Die kannst du bei der nächsten Fahrt mitnehmen.« »Und was ist das plötzlich für ein Geschäft?«
»Schiffstransporte. Randy und Alix haben ihn überredet, seine alten Kontakte zur Seefahrt zu beleben, ein paar Versprechen einzufordern.«
»Was soll da transportiert werden?«
Eine Handbewegung. Dieselbe Bewegung, die das
am richtigen Tag zum richtigen Preis am richtigen Ort ist. Flexibilität, so lautet die Parole. Es ist ein schnelles Gewerbe, es ist Halsabschneiderei, aber das schafft er schon. Wenn man ihm hilft. Und das ist unsere Aufgabe.« »Wie sieht diese Hilfe aus?«
»Das Haus Single ist ein Dienstleistungsbetrieb, Oliver« - den kleinen Kopf schiefgelegt, die Brauen scheinheilig hochgezogen - »das vergißt du immer - du bist ja noch jung. Wir sind auf Gewinnmaximierung aus. Wir sind Schöpfer.« Ein kleiner Zeigefinger weist auf Gott. »Wir haben die Aufgabe, unsere Kunden mit den Instrumenten zu versorgen, die sie brauchen, und wenn sie die Ernte einbringen, diese sparsam zu verwalten. Single hat seine heutige Position nicht erreicht, weil wir den Kunden die Flügel stutzen. Wir machen Geschäfte, vor denen die anderen sich scheuen, Oliver. Und diese Geschäfte laufen gut.«
Gehorsam gibt Oliver sich alle Mühe, die gleiche Begeisterung wie sein Vater zu empfinden; er hofft, daran glauben zu können, wenn er es laut ausspricht: »Und er wird sehr erfolgreich sein, das weiß ich«, sagt er. »Natürlich. Er ist phantastisch.«
»Er ist ein alter Räuberbaron. Man wird ihn mit den Füßen voran da raustragen.«
»Was höre ich da?« Tiger hat sich von seinem Schreibtisch erhoben und Oliver am Arm gepackt. »Ich darf dich bitten, nicht solche Ausdrücke zu benutzen, Oliver. Unsere Rolle ist ziemlich heikel, da müssen wir unsere Worte sorgfältig abwägen. Ist das klar?«
»Vollkommen. Entschuldige. Das war nur so eine Redensart.« »Wenn die Brüder auf die Art Geld machen, wie Randy und Alix berichten, brauchen sie unsere ganze Palette: Kasinos, Nachtclubs, ein paar Hotelketten, Feriendörfer, alles, worin wir am besten sind. Jewgenij besteht wieder mal auf absoluter Vertraulichkeit, und da ich ähnlich denke, habe ich keine Probleme, ihm den Gefallen zu tun.« Wieder an seinem
persönlich aushändigst. Und nimm eine Flasche Berry´s
Speyside aus dem Tresor, mit meinen Empfehlungen. Nimm
zwei. Eine für Alix.«
»Vater.«
»Mein Junge.«
»Ich muß wissen, womit wir handeln.«
»Mit Geld.«
»Und das stammt woher?«
»Wir haben es mit Schweiß und Tränen verdient. Mit unserem Instinkt, unserem Gespür, unserer Flexibilität. Mit unserer Leistungsfähigkeit.«
»Was kommt nach dem Blut? Was ist noch schlimmer?« Tigers schmale Lippen haben sich zu einer weißen Falte zusammengezogen. »Was noch schlimmer ist? Neugier zum Beispiel, Oliver. Unnütze, unbedarfte, falsch informierte, maßlose, überflüssige, moralistische Problemhuberei. War Adam der erste Mensch? Ich weiß es nicht. Wurde Jesus zu Weihnachten geboren? Ich weiß es nicht. Im Geschäft nehmen wir das Leben, wie es kommt. Und nicht, wie es uns vom Kinderstuhl der liberalen Zeitungen heruntergereicht wird.« Oliver und Jewgenij sitzen auf dem Balkon und trinken Cuvee Bethlehem. Tinatin kümmert sich in Leningrad um eine notleidende Tochter. Hoban ist mit Zoya und
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