Untot, Intrige und viel Tee (German Edition)
hat der Kerkermeister sich geirrt, als er Grau bei dir fand.«
Kraawok betrachtete mit großem Interesse die Scharniere der Kerkertür. Vermutlich mussten sie dringend geölt werden.
»Das Gesetz erlaubt es mir, dem Angeklagten die Wahl des erneuten Farbentests zu überlassen. Ich will großzügig sein und dir diese Wahl freistellen.«
Tatoko brauchte einen Moment, um zu begreifen. Er war gerade frei gesprochen worden. Mit den Farbentests verhielt es sich wie mit Arbeitszeugnissen: Die meisten hatten Grau als Ergebnis, unabhängig von der Identität des Angeklagten oder der tatsächlichen Beschaffenheit seiner Seele. Bei einigen dieser Tests musste nicht einmal ein Prüfling in der Nähe sein, beispielsweise bei jenem, der mit etwas Tinte und einem Blatt Papier funktionierte.
Aber es gab auch Farbentests, bei denen immer Lila heraus kam. Durfte der Angeklagte den Test wählen, kam das einem Freispruch gleich, weil er natürlich das passende Resultat wählte. In diesem Fall durfte Tatoko sich beispielsweise den Fliederschluck aussuchen. Er musste Fliederblüten schlucken und wieder erbrechen. Die Farbe, in der sie wieder heraus kamen, entsprach der Farbe seiner Seele.
Genau genommen gab es kaum einen Seelentest, bei dem das Ergebnis nicht vorher feststand. Man erzählte sich, dass einige Gelehrte dazu in der Lage waren, echte Tests durchzuführen. Aber die waren den Kirchenoberen dann doch zu unsicher.
Tatoko kniete vor seinem Herrn nieder. »Iwww eee fiiia eee.«
»Hehe«, lächelte Maladi und tätschelte seinem Funken das Haupt. »Du wählst den Fliedertest.« Er wandte sich zum Kerkermeister um. »Bereite alles vor, Kraawok. Sorg dafür, dass nichts schiefgeht.«
»Awwwe, Heewwww«, machte Tatoko und versuchte, sich zu erheben. Auf einen Wink Maladis hin stützte der Kerkermeister ihn.
»Außerdem«, sagte Maladi großzügig, »kenne ich im Dorf eine weise Krankheitsleuchte. Er kennt sich vorzüglich mit dem Ersatz abhanden gekommener Körperteile aus.« Er knuffte Tatoko in die Seite. »Das kriegen wir schon wieder hin, was?«
»Awwww.«
»Genau.«
Maladi ging voran und marschierte aus dem Kerker. Meister Kraawok führte Tatoko kopfschüttelnd hinterher.
Wantak
Hier, nimm das.« Bikka hielt Jakeed ein Bündel Pflanzenstängel hin. Der nahm es, machte aber keine Anstalten, das Grünzeug in den Mund zu stecken.
»Kauen«, sagte Bikka und zeigte auf ihren Mund.
Jakeed ignorierte sie.
»Daf Leben wird fofiefo von den meiften Leuten überbewertet«, sagte der Graf und zog an seiner Teepfeife, die einen metallischen Geruch verströmte. Armia hatte ihm schon vor einigen Tagen erlaubt, seinen Käfig und seine Fledermaus-Form zu verlassen.
Armia.
Jakeed fragte sich, wo sie jetzt war. Es war wie mit einem Zahn: Man vermisste ihn erst so richtig, wenn er nicht mehr da war.
Er nahm nicht wahr, dass Bikka und der Graf einander anzischten und verfluchten. Er hörte nicht nur nicht zu, sondern befand sich eigentlich an einem ganz anderen Ort. Er stand neben Armia auf dem Marktstand in Amaui, und sie lächelte ihn immer an, wenn ihm mal wieder die Stimme wegblieb, weil er ständig den Kalender anpreisen und die Erlaubnis der Grauen Kirche vorlesen musste.
Eigentlich hatte er sich nie richtig mit Armia unterhalten. Sie war der wirkliche Kopf der Allianz gewesen. Die Kalender waren seine Idee, aber Armia hatte mit ihrer unerschöpflichen Energie alle mitgerissen. Madalak hatte von Anfang an gezweifelt. Jetzt lag er im Bett des alten Schrattlermeisters und rang mit dem Tod. Wanzl war bei ihm, Bikka hatte ihn mit Kräutern versorgt, so gut sie konnte.
Madalak war ein Söldner. Nur er konnte das Bett fliegen. Er hatte als einziger graue Haare und war der Älteste und Vernünftigste.
Jakeed hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Im Grunde hatten sich die neuen Kalender längst im ganzen Land durchgesetzt. Die Aufgabe, die die Allianz sich gestellt hatte, war erfüllt. Jetzt musste sie sich auf neue Ziele konzentrieren. Zum Beispiel: Lebendig bleiben.
»Sie war in dich verliebt«, sagte Bikka.
Es dauerte einen Moment, bis Jakeed begriff, wovon die Hexe redete. Er sah sich in alle Richtungen nach Zuhörern um, aber der Graf war offenbar gegangen. Nur die Hexe und Jakeed waren noch im Raum. Fassungslos fixierte er Bikka.
Die warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ich dachte, du solltest das wissen.«
Jakeed hatte keine Antwort.
»Kauen«, sagte Bikka und wies mit ihrem Kinn auf die Pflänzchen, die
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