Untot mit Biss
Er bohrte die Zähne ins immer noch schlagende Herz, und Blut spritzte ihm ins Gesicht, rann übers Kinn und am Hals herab, tropfte auf das Wollgewand. Es ließ abstrakte Muster zurück, und dadurch sah es aus, als trüge er Kriegsbemalung. Der Adamsapfel geriet in Bewegung, als er schluckte, und die Gruppe der Krieger jubelte. Ich musste irgendein Geräusch verursacht haben, denn Tomas sah zu mir. In der schrecklichen Parodie eines Lächelns zeigte er blutige Zähne und streckte die Hand mit dem Herz aus, als wollte er mir davon anbieten. Er trat einen Schritt vor, und ich stellte fest, dass ich mich nicht von der Stelle rühren konnte, als seine blutbesudelten Hände mit der grässlichen Gabe näher kamen. Schließlich fiel die Starre von mir ab, und ich schrie.
Der Schrei schmerzte in der Kehle, aber ich konnte ihn nicht zurückhalten. Die Vision löste sich auf, und ich befand mich wieder in dem Lagerraum und starrte den neuen Tomas an, der für den Bruchteil einer Sekunde zusammen mit dem alten zu sehen war, wie zwei übereinandergelegte Bilder. Seine Zunge kam zwischen den Lippen hervor und leckte einen kleinen roten Tropfen aus dem Mundwinkel, so klein, dass ich ihn gar nicht bemerkt hatte. Ich dachte noch, dass sich alte Angewohnheiten schwer überwinden ließen, und dann schrie ich erneut, diesmal aus vollem Hals.
Er trat einen Schritt auf mich zu, die Hände ausgestreckt, wie um zu zeigen, dass er mir nichts tun wollte, und ich sah, dass sie fast wieder sauber waren. Als er näher kam, löste sich ein letzter Fleck an der einen Hand auf und verschwand in der Haut wie ein Tropfen Wasser im Wüstensand. Ich begriff, dass ich wie eine Krabbe rückwärtskrabbelte, dabei schluchzte und fluchte, aber es war mir gleich. Ich rutschte im Blut aus, fiel und schrie einmal mehr, als ich sah, dass meine Beine rot waren, wie aus Strümpfen und Stiefeln gewachsene Rosen. Tomas näherte sich langsam und sprach ruhig wie zu einem scheuen Fohlen, das er zu zähmen versuchte. »Cassie, bitte hör mir zu. Wir haben etwas Zeit gewonnen, aber wir müssen fort von hier. Es werden andere kommen.« Ich rutschte erneut aus, landete auf dem Hintern und spürte einen harten Gegenstand darunter. Ein Teil meines Gehirns, der noch einigermaßen normal funktionierte, erkannte die Form des Objekts: meine Pistole. Rasch griff ich danach. »Wenn du noch näher kommst, schieße ich.« Ich richtete das Ding auf Tomas. Zwar zitterte meine Hand, aber er sah, dass ich es ernst meinte. Seine Augen, die normalerweise sanft und warm blickten, erschienen mir jetzt kalt und dunkel wie schwarze Spiegel. Ich sah nichts in ihnen, und bei Gott, ich wollte auch gar nichts in ihnen sehen. »Du musst mir zuhören, Cassie.« Ich blickte in das attraktive Gesicht, und ein Teil von mir beobachtete, wie eine weitere Illusion starb. Ich hatte gedacht, endlich einmal etwas Gutes getan und jemandem geholfen, ihn sogar gerettet zu haben, anstatt immer nur zu sehen, wie alles ein schlimmes Ende nahm, entweder für mich selbst oder für jemand anders. Aber so etwas war zu schön, um wahr zu sein – ich hätte es wissen sollen.
Da bist du echt überfordert, Mädchen,
dachte ich, als mein Rücken an die Tür stieß.
Das nächste Mal solltest du mit etwas Kleinerem beginnen und vielleicht ein Kätzchen adoptieren …
Allerdings war die Chance dafür, dass es ein nächstes Mal für mich gab, eher gering.
Durch die Tür hörte ich die Musik im Club, eine Art Singsang, von TechnoKlängen begleitet – für mich hörte es sich nach dem Paradies an. Ich wollte in der Menge untertauchen, zur Straße und dann wegrennen, so schnell wie möglich. Ich war ein richtiger Champion, wenn es ums Verstecken ging, und im Touristenviertel war es leicht, ein anonymes Mitglied der fröhlichen Freitagabend-Menge zu werden. Ich hatte ein anderes Bankkonto unter einem weiteren falschen Namen und Notfall-Bargeld sowie schlichte Kleidung in einem Schließfach beim Busbahnhof. Außerdem kannte ich jede Gasse in einem Umkreis von fünfzehn Häuserblocks. Ich würde entkommen, wenn es mir gelang, Tomas abzuschütteln.
Langsam schob ich mich an der Tür empor, stützte mich daran ab und verfluchte die hohen Absätze. Der Rock rutschte nach oben, aber ich machte mir nicht die Mühe, ihn glatt zu streichen. Tomas zu viel zu zeigen war die geringste meiner Sorgen. Ich tastete mit der blutigen Hand nach hinten, fand den Knauf und drehte ihn. Auf wackligen Beinen wankte ich durch die Tür, schlug
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