Untot | Sie sind zurück und hungrig
Hauptsächlich zur Abschreckung.«
Das Boot kommt näher, dicht genug, dass ich an Bord eine Gestalt ausmachen kann, und ich will schon losbrüllen, um meine Mutter zu warnen. Aber gerade als sie fast dort ist, weicht sie dem Ding gewandt aus. Ich atme auf.
Aber ich entspanne mich zu früh.
Es ertönt ein Rufen, ein Schrei – und als ich hinter mich die Stufe hinaufsehe, stürzt mir Pete entgegen, die Arme ausgestreckt, das Gesicht verzerrt.
Er hat sich verwandelt? So schnell?
Er prallt gegen mich und dabei knickt mein Handgelenk um, so dass ich mit der Pistole auf meinen eigenen Körper ziele. Dann packt mich eine Hand und zerrt mich nach hinten und ich stolpere die Stufe hinunter; die Pistole fliegt mir aus der Hand, knallt gegen einen Stein und ein Schuss löst sich. Ich weiß, gleich lande ich im kalten Wasser, und da verschluckt mich die Schwärze auch schon.
Kapitel
26
Ich treibe auf dem Rücken im tosenden grauen Wasser.
Die Wellen werfen mich hin und her – eigentlich schleudern sie mich sogar in die Luft und fangen mich dann wieder auf, wie mein Vater früher, als ich klein gewesen bin. Und auch heute noch ist das ziemlich lustig. Eigentlich müsste ich doch Angst haben und frieren und das Salzwasser müsste mir in den Augen und hinten in der Kehle brennen. Aber ich fühle mich ganz gut. Ich bin damit zufrieden, hier einfach hilflos alles geschehen zu lassen. Weil ich nämlich nach dieser ganzen Zeit, in der ich versuchen musste, diesen Wahnsinn in den Griff zu bekommen, den Dingen jetzt einfach ihren Lauf lassen werde. Ist das nicht toll? Mit dem Kämpfen aufhören und einfach lächeln. Soll mich die See doch gegen die Felsen schmettern oder in ihre trüben Tiefen ziehen. Ist mir recht, ehrlich. Weil ich nämlich wie betäubt bin und mir jetzt alles total egal ist und das fühlt sich super an.
Aber dann drehe ich den Kopf und sehe Smitty. Bloß bewegt er sich nicht, er treibt auf dem Wasser, mit dem Gesicht nach unten, Arme ausgebreitet, Oberkörper auf und ab tanzend. Einen grässlichen Moment lang denke ich, die Beine hat ihm ein Hai abgebissen, aber dann sehe ich sie unter der Wasseroberfläche; sie hängen da einfach bewegungslos. Ich richte mich mit einem Ruck im Wasser auf, packe seine Lederjacke und versuche ihn richtig herum zu hieven, damit er atmen kann, damit wir zusammen auf den Wellen reiten können, damit wir weiterkämpfen können, bis es geschafft ist.
Er ist total schwer. Schlaff, die Sachen voller Wasser. Meine Muskeln protestieren, plötzlich spüre ich die Kälte und mir wird klar, dass ich mich kaum selber über Wasser halten kann, geschweige denn uns beide.
Da ist ein total großes Boot, nur ein kleines Stück entfernt. Jedes Mal, wenn die Wellen uns nach oben tragen, sehe ich es kurz. Die Hoffnung bohrt mir ihren Stachel in die Brust. Das wird eine brutale Anstrengung, aber wir können es dort hinschaffen. Er muss nur mithelfen.
»Smitty!« Ich versuche ihn wach zu rütteln, schreie seinen Hinterkopf an. »Smitty!«
Gerade als ich denke, dass alles verloren ist, kommen mir die Wellen zu Hilfe und er dreht sich. Die dunklen Haare kleben an seinem Gesicht. Ich packe die Aufschläge seiner Jacke und ziehe ihn an mich heran. Ich wische ihm mit der Hand übers Gesicht, streiche die Haare zurück.
Die Augen öffnen sich. Ein Lächeln.
Das ist nicht er. Das bin ich.
Mir klappt der Mund auf, ich schnappe nach Luft und sinke fünf Faden tief unter die wogenden grauen Wellen.
Es ist bloß ein Traum.
Ich wache auf und japse, als hätte mich jemand unter Wasser gehalten.
Ich bin allein, liege in einem Bett. Nur mein Keuchen und mein Herzschlag sind zu hören. Ich packe die kalten Metallseiten des Bettes und starre zur strahlend weißen Decke hinauf, bleibe ganz ruhig liegen und warte darauf, dass der Raum aufhört, auf und ab zu wippen.
Bloß tut er das nicht.
Wo zum Teufel bin ich?
»Hallo?«
Helle Lampen. Ein Zimmer. Weiße Wände.
Schon wieder? Bin ich wieder im Krankenhaus?
Galle steigt mir in die Kehle und ich versuche mich aufzusetzen. Dabei stoße ich mir die Zehen am Fußende des Bettes und fluche. Mir fällt ein Kabel mit einem Schalter auf, das seitlich von meinem Bett herunterhängt. Auf dem Knopf steht ›Ruf‹.
»Na schön, dann rufen wir mal.«
Einige Minuten vergehen. Vielleicht auch weniger, ich bin mir nicht sicher. Und dann geht die Tür auf und jemand steckt den Kopf hindurch.
Meine Mutter.
Verdammt, verdammt, verdammt, ich träume immer
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