Unvergessen wie Dein Kuss
Isabella Stimmen im Flur. Marcus und Alistair verabschiedeten sich mit einem kurzen Gutenachtwunsch. Dann wurde die Tür von Marcus’ Schlafgemach leise geschlossen. Sie wartete immer noch. Erst nach einer Weile kam der Kammerdiener heraus, und das Haus war endlich still. Zur Vorsicht wartete sie noch einige Minuten, bevor sie mit einer raschen, unruhigen Bewegung ihren Morgenmantel überwarf und leise auf den Treppenabsatz trat. Sie hätte sonst die Verbindungstür benutzt, aber sie hatte keinen Schlüssel dafür, und es erschien ihr in diesem Augenblick recht unpassend, an der Tür zu klopfen, bis Marcus sie öffnete.
Freddie und Edward Warwick. Der Gedanke daran bereitete ihr richtige Übelkeit, aber sie konnte ihn nicht aus ihrem Kopf verdrängen. Isabella war nicht ganz sicher, wie sie vorgehen sollte. Marcus hatte sich in der Verfolgung von Warwick unerbittlich gezeigt, und sie wollte nicht, dass Freddie gejagt, bedroht und gedemütigt wurde. Wie Pen hatte auch sie eine tiefe Zuneigung zu ihrem unglücklichen Bruder, wenngleich er sie oft zur Verzweiflung brachte. Isabella hielt es für besser, selbst mit ihm zu sprechen, als ihren Mann wissen zu lassen, dass Freddie in Warwicks Geschäfte verwickelt war. Gleichzeitig hatte sie aber das Gefühl, dass sie Marcus gegenüber illoyal handelte, wenn sie ihm nicht sagte, was sie wusste. Die ganze Sache brachte sie in einen tiefen Zwiespalt.
Einen Augenblick lang hielt sie auf dem Treppenabsatz inne, klopfte dann an Marcus’ Tür und ging hinein. Marcus sah mit unverhüllter Überraschung auf. Er saß im Bett, hatte eine Anzahl von Papieren auf der Bettdecke liegen und einen Bleistift in der Hand. Isabella sah, dass er etwas skizziert hatte. Das Buch über theoretische Schiffsarchitektur lag neben ihm auf dem Nachttischchen.
Isabella vermutete auch, dass er unter den Decken nackt war, auf jeden Fall war sein Oberkörper bloß. Plötzlich bemerkte sie, wie ihre Gedanken ein wenig von Freddies Schwierigkeiten abzuschweifen drohten, und holte tief Luft, um sich zur Ordnung zu rufen.
“Arbeit”, sagte er und legte mit einem entschuldigenden Lächeln die Papiere zusammen. “Ich stelle fest, dass sie mir hilft, mich von gewissen Problemen abzulenken. Was kann ich für dich tun, Isabella? Ich habe gar nicht erwartet, dich heute Abend noch zu sehen. Ist alles in Ordnung?”
Isabella zögerte. Sie setzte sich auf die Bettkante, wobei sie darauf achtete, dass sie einen schicklichen Abstand zu ihm einhielt. Die Situation kam ihr etwas unbehaglich vor. Sie strich nervös über den Rand der Bettdecke.
“Es geht um Freddie”, brachte sie dann recht abgehackt heraus. “Ich glaube … das heißt, Pen hat gesagt … dass er irgendwie mit Edward Warwick zu tun hat.”
Marcus musterte sie genau. “Hat Pen dir das heute Abend gesagt?”
“Ja, natürlich.” Isabella fühlte sich erleichtert und gleichzeitig schuldig. In Marcus’ Augen bemerkte sie etwas Fremdes und Nachdenkliches. “Freddie hat Schulden und …” Sie hielt inne und sah ihn vorwurfsvoll an. “Marcus! Du hast das gewusst!”
Er verzog das Gesicht. “Bitte sprich nicht so laut, Bella. Es stimmt, dass Alistair und ich vermuteten, dass Freddie irgendwie in Geschäfte mit Warwick verwickelt ist, aber wir wussten es nicht genau.”
“Deshalb ist Mr Cantrell hier”, sagte sie und fror plötzlich. “Und deshalb ist auch
Freddie
hier.” Sie zitterte nun sehr. “Was geht eigentlich vor, Marcus?”
“Ich weiß es nicht.” Er schlug die Bettdecke zurück und zog seine Frau zu sich in die Wärme. Isabella widersetzte sich nicht, sondern kuschelte sich eng an ihn. Er legte seinen Arm um sie, und ihr Kopf lag auf seiner Brust. “Ich glaube, dass Warwick hier in Salterton ist, aber bis jetzt weiß ich noch nichts Genaues. Die Ankunft deines Bruders stellt eine interessante Entwicklung der Angelegenheit dar.”
“Du wirst Freddie nicht
wehtun
, nicht wahr?”, fragte sie mit leiser Stimme, beugte den Kopf nach hinten und sah ihn an.
Er musste lachen. “Du liebe Zeit, Bella, hältst du mich für mittelalterlich? Ich schwöre dir, dass ich doch meinem eigenen Schwager nicht
wehtun
werde.” Dann sprach er ernster weiter: “Ich weiß nicht, worauf Freddie sich eingelassen hat, denke aber, dass es so schlimm nicht sein kann. Er ist kaum ein hartgesottener Krimineller.”
“Nein”, stimmte sie zu. Geistesabwesend rieb sie ihre Wange an seiner Brust, merkte es erst, als sie seine feinen Härchen dort
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