Unvergessen wie Dein Kuss
dichtes, lose herabfallendes goldblondes Haar vor Augen, auch ihre kleinen, aber vollkommen geformten Brüste und ihren schlanken Körper unter dem verlockend durchscheinenden Stoff ihres Unterhemdes. Natürlich konnte es auch durchaus sein, dass hinter dem Fenster, auf das er die ganze Zeit starrte, Freddie Standish mit einer Flasche Weinbrand im Arm schnarchte. Aber das war eigentlich nicht von Belang. Wichtig war nur, dass Pen im Haus war und dass er sie begehrte: er war ihr so nahe, aber in Wirklichkeit so unaussprechlich weit weg von ihr.
Pen vertraute Alistair. Sie war eine Dame in einer Notlage, und sie hatte sich ihm anvertraut. Er sollte sich eigentlich geehrt fühlen, dieses Vertrauen zu genießen, und nicht daran denken, es auf unendlich schockierende Weise zu missbrauchen. Er
konnte
sie
einfach nicht dazu ermuntern, ihm zu vertrauen, um sie dann schamlos zu verführen. Aber welch ein Verlangen hatte er danach! Maßlos. Unendlich. Es tat beinah körperlich weh.
Alistair wusste, dass Miss Standish in dem Ruf eines Blaustrumpfs mit scharfer Zunge stand. Bestimmt würde sie jeden zurechtweisen, den sie für einen Narren hielt – und es gab viele, auf die diese Bezeichnung zutraf. Aber er hatte auch ihre Zartheit und Verletzbarkeit gesehen und bemerkt, wie sehr sie ihrer Schwester zugetan war und wie sie von der Schuld, Isabellas Vertrauen zu missbrauchen, geplagt wurde. Alistair wusste, wie schwer es schon für einen Mann war, mit finanziellen Schwierigkeiten zurechtzukommen. Daher konnte er sich vorstellen, wie entmutigt erst eine Frau in dieser Situation sein musste. Und er sollte versuchen, ihr zu helfen, und nicht, sie zu verführen.
Unter den gegebenen Umständen war es ein Glück, dass es angefangen hatte zu regnen. Der Regen dämpfte sein leidenschaftliches Gefühl etwas. Dennocht starrte er weiter auf das erleuchtete Fenster, bis das Licht gelöscht wurde.
13. KAPITEL
“W o soll ich anfangen?”, fragte Isabella höflich.
“Gut ist immer der Anfang”, antwortete Marcus. “Warum hast du mich damals verlassen?”
Isabella schmiegte sich noch tiefer in den Ledersessel. Am liebsten wäre sie ganz und gar in der weichen Umarmung des Möbels verschwunden. Sie wollte nur noch schlafen, und im Schlaf Sicherheit und Vergessen finden. Stattdessen musste sie reden, damit Marcus sie verstand. Ihr Herz bebte dabei.
“Du hast mich damals am Altar stehen lassen”, sagte er in sehr beherrschtem Ton. “Du wolltest mich nicht sehen, als ich versuchte, dich zu sprechen. Du hast nicht einmal geschrieben oder mir gesagt, was eigentlich geschehen war.” Seine Stimme wurde nun doch lauter, gefühlvoller. “Erst durch den Zeitungsbericht erfuhr ich überhaupt von deiner Hochzeit, und dann sandtest du mir meinen Ring zurück …” Er hielt inne. Isabella bemerkte, wie sein Gesicht erneut ausdruckslos wurde und das Feuer in seinen Augen erlosch.
“Gib mir eine Erklärung”, forderte er tonlos. Es war ein Befehl, keine Bitte.
“Da gibt es nicht viel zu sagen”, antwortete sie. Angestrengt blickte sie auf die Glut im Kamin, damit sie Marcus nicht ansehen musste. Das hätte ihr zu sehr wehgetan.
“Ich tat es um meiner Familie willen, Marcus, oder vielleicht auch wegen des Geldes. Du wirst dir sicher das Passende aussuchen.”
Isabella sah kurz auf. Marcus’ Gesicht war ganz ruhig, aber sie bemerkte eine beherrschte Anspannung, ja einen Zorn, der tief in ihm brannte. Nun da der Augenblick der Wahrheit gekommen war, wollte sie, dass alles möglichst schnell vorbeiging und er sie dann in Ruhe ließ. Dafür würde sie sorgen.
“Als ich jung war, wusste ich nicht, dass Papa in ernsten finanziellen Schwierigkeiten steckte”, fuhr sie fort. Sie zuckte die Achseln. “Kinder bemerken diese Dinge oft nicht. Sie glauben, dass alles immer unverändert und sicher bleibt.” Sie seufzte. “Als ich heranwuchs, entdeckte ich, dass Papa immer wieder in Schulden steckte. Mal erwarb er ein kleines Vermögen, nur um es wieder zu verlieren – durch Glücksspiel, gewagte Investitionen, unkluges Handeln … Als er starb, hatte er sein ganzes Geld verloren. Deshalb muss Freddie arbeiten, und Pen hat nur ein schmales Einkommen, das kaum zum Leben reicht.”
Seit Isabella angefangen hatte zu sprechen, hatte Marcus sich keinen Zoll von der Stelle gerührt. Er saß ihr gegenüber in einem Ledersessel und schwieg. Aber er sah sie mit wachsamen Augen an. Sein Gesichtsausdruck war kalt und abweisend. Isabella fühlte ein
Weitere Kostenlose Bücher