Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
können wir uns jetzt um das Fieber kümmern?«
Er lächelte bedächtig und sah dabei vollkommen verdorben aus. »Ach, du meinst das andere.«
Sie hätte ihn beinahe gezwickt.
»Es könnte mein Bein sein«, gab er schließlich zu und blickte an sich hinab. »Es schmerzt wie der Teufel.« Voller Bedauern grinste er. »Tut mir leid. Das mit dem Teufel.«
Schnell hatte sich Jacks Vermutung bestätigt. Olivia schlug die Decke zurück, löste den Verband und sah, dass die Wunde darunter nässte und geschwollen war.
»Also, Liv«, scherzte Jack, »ich werde noch erröten. Schieb die Decke noch einen Zentimeter weiter nach unten, und Lady Kate kennt alle meine Geheimnisse.« Er machte den Fehler, nach unten zu sehen. »Grundgütiger, was ist das? Sieht aus, als wäre ich von einem Stier auf die Hörner genommen worden.«
»So romantisch war es nicht«, erwiderte Olivia und rang um Haltung. »Vielleicht sollte ich Harper holen.«
»Unsinn«, entgegnete Lady Kate knapp. »Ich hole Grace.«
Grace musste den Ruf vorausgeahnt haben, denn als Jack schließlich aufgab und sich wieder hinlegte, stand sie in einem Umhang wie dem Olivias da. Ihr blasses Haar war zu einem Zopf geflochten, der ihr über den Rücken hing. Ohne sich mit Höflichkeiten aufzuhalten, schlug sie die Bettdecke noch ein Stück zurück.
»Aha«, sagte sie, als sie die Wunde sah. »Harper hat mich alarmiert.«
Olivia dachte nicht daran, Jack vorzustellen, bis Grace ihre Hand auf Jacks Schenkel legte, um zu fühlen, ob er warm war. Jack packte Graces Hand. »Entschuldigen Sie, Ma’am, aber für gewöhnlich werde ich einer Lady zumindest vorgestellt, ehe ich ihr so viel von mir zeige.«
Grace errötete. Olivia stand sprachlos daneben. Jack hätte niemals so etwas gesagt. Nicht vor ihr.
Andererseits hatte er ein ganzes Leben ohne sie verbracht.
»Himmel, Jack.« Lady Kate lachte und brachte unwissentlich Olivias Gedanken zum Ausdruck. »Sie sind ja plötzlich zuckersüß.«
Sie erntete ein weiteres Lächeln. »Übung, Kate. Übung.«
Olivia schüttelte nur den Kopf. Lady Kate stellte Grace vor.
»Es ist mir ein Vergnügen«, entgegnete Jack und schüttelte Grace die Hand. »An welcher Universität haben Sie eine medizinische Ausbildung genossen?«
Während Grace die Wunde untersuchte, lächelte sie ihm abwesend zu. »An der ›Universität der Kriege auf der Iberischen Halbinsel‹.«
Jack nickte. »Entschuldigen Sie, Ma’am. Mein Bein gehört Ihnen.«
»Honig«, sagte Grace.
Er hob eine Augenbraue. »Sie wollen jetzt etwas essen?«
Grace schmunzelte. »Nein, ich meinte, wir sollten Honig auf die Wunde schmieren und sie verbinden. Das wirkt Wunder bei Infektionen.«
»Ich begebe mich vertrauensvoll in Ihre Hände, Miss Fairchild. Setzt du dich zu mir und hältst meine Hand, während der Honig Wunder vollbringt, Liv?«
»Ich werde eine Weile bei dir sitzen«, entgegnete Olivia und war schändlicherweise dankbar für das Fieber. Es würde die unvermeidliche Konfrontation hinauszögern.
»Ich sage es nicht gern«, begann Grace ein paar Minuten später, als die drei Frauen zusammen zur Speisekammer gingen, um die Zutaten zu holen. »Doch selbst mit dem Honig stehen ihm schwere Zeiten bevor.«
Olivia warf ihr einen scharfen Blick zu. »Wird er durchkommen?«
»Das will ich ihm raten«, witzelte Lady Kate. »Ich fürchte, der Monsieur hätte etwas dagegen, wenn er eine Leiche in seinem Garten finden würde.«
»Der Earl wird in den nächsten Tagen hohes Fieber haben«, sagte Grace. »Aber ich habe eine Frau gefunden, die Weidenrinde besorgen kann. Damit und mit dem Honig glaube ich, dass er es überstehen wird.« Sie schaute auf. »Solange er keine Dummheiten macht.«
»Er ist ein Mann«, schnaubte Lady Kate. »Selbstverständlich wird er Dummheiten machen.«
Plötzlich blieben alle drei Frauen stehen und blickten die Treppe hinauf zu der Tür, hinter der Jack lag.
»Er hat schon aufrecht gesessen«, stellte Lady Kate fest.
Olivia rieb sich über die Stirn. »Was bedeutet, dass er bald aufstehen wird. Und dann läuft er los.«
»Und da er ein Mann ist, wird er nicht eher Ruhe geben, bis er die Straße entlangmarschieren kann, um seine Freunde zu suchen.«
Olivia presste die Handballen gegen die Schläfen. Sie musste sich unbedingt ein Pulver gegen Kopfschmerzen besorgen. »Wo jeder ihn erkennen und Fragen stellen könnte. Wo er ebenfalls Fragen stellen könnte. Fragen, die wir nicht beantworten können.«
»Ich hoffe, dass Sie morgen
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