Unvermeidlich
Couch nieder.
Steffen ist in der Nähe und schon nennt er mich wieder Kleine, als könnte er mich damit auf Abstand halten. Ich habe das unwiderstehliche Bedürfnis, ihm vor das Schienbein zu treten, doch dann müsste ich ihm erklären, womit er das verdient hat. Es besteht kein Zweifel mehr, dass er mich nicht als kleines Mädchen betrachtet, das heißt allerdings noch lange nicht, dass wir offen darüber sprechen können.
Eindeutig hat Steffen nicht mit ihm gerechnet, denn er schlendert gewohnt selbstgefällig in den Raum, fährt aber fast aus seiner Haut, als er Alex auf der Couch sitzen sieht.
Die beiden sind so extrem unterschiedlich, dass es eine Erleichterung ist. Es würde meine Verliebtheit zu Alexander nur komplizierter machen. Andererseits, wären die beiden sich ähnlich, wäre es vermutlich nie passiert.
„Schläft sie?“, frage ich.
Mit dem Blick auf seinen Bruder geheftet, nickt er nur.
„Kann ich dich sprechen? Draußen?“ Obwohl Alex es als Frage formuliert, ist es eine wenig dezente Forderung, der Steffen sich besser nicht widersetzt.
„Geht es um deine Wohnung? Ich kann das erklären.“
Alex schießt so ruckartig hoch, dass selbst ich kurz zusammenzucke.
„Draußen!“, knurrt er ihn an. „Ela hat genug deiner faulen Ausreden gehört.“ Grob packt er Steffen am Arm und schleift ihn raus. Die Wohnungstür knallt laut hinter den beiden zu und schreckt Anna wieder auf.
„Mama!“, ruft sie weinerlich. Als ich ihre Tür öffne, sitzt sie im Bett und reibt sich müde die Augen. „Was ist passiert? Habt ihr Streit?“
Manchmal wünschte ich, sie wäre nicht ganz so aufmerksam.
„Alles in Ordnung, mein Schatz. Dein Papa hat nur die Tür etwas zu fest zugezogen.“
„Ich hab Stimmen gehört.“
„Alex ist gekommen. Aber du musst jetzt schlafen.“
Sie schiebt die Unterlippe vor, erkennt jedoch an meinem Ton, dass ich heute nicht mehr mit mir verhandeln lasse, auch wenn sie ihn gerne sehen würde.
Ich decke sie noch einmal zu und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich mich in den Flur stehle. Durch die geöffnete Badezimmertür, dessen Fenster zur Straße rausgeht, kann ich die beiden hören. Vielmehr Alex, denn Steffen kommt überhaupt nicht zu Wort.
„Es ist immer dasselbe. Jetzt machst du der Kleinen irgendwelche Versprechungen, die du sowieso nicht einzuhalten planst. Wie soll das weitergehen? Denkst du an irgendjemand anderen, als an dich selbst?“
„Alex, ich …“
Steffen will sich rechtfertigen, doch er gibt ihm keine Chance.
„Was es auch ist, spar es dir. Es sind und bleiben wertlose Phrasen. So einen Vater wie dich hat kein Kind verdient.“
Ich will nicht weiter zuhören. Deswegen schließe ich die Tür zum Bad, bevor Anna erneut aufgeschreckt wird. Ehe ich ins Wohnzimmer gehe, öffne ich die Haustür einen Spalt, damit sie nicht klingeln müssen, wenn sie wieder rein wollen.
Entweder haben sie sich die Köpfe eingeschlagen und werden gerade vom Notarzt versorgt oder sie reden tatsächlich mal für 5 Minuten in Ruhe. Da ich in ersterem Fall wohl Sirenen gehört hätte, kann ich mich etwas beruhigen.
Ich stehe an der geöffneten Kühlschranktür und esse geschnittene Wassermelone aus einer Tupperschüssel, als Alex reinkommt. Ohne Steffen.
„Und?“, frage ich knapp und schmeiße mit dem Ellenbogen den Kühlschrank zu. Ich halte ihm die Schüssel hin, doch er schüttelt nur den Kopf.
„Alles beim Alten. Er ist immer noch ein Arschloch und er hat euch nicht verdient.“
„Alex“, seufze ich. „Du musst nicht meine Ehre verteidigen oder was auch immer das werden soll. Ich weiß, wie er ist. Wir spielen dieses Spiel jetzt schon seit ein paar Jahren. Er ändert sich nicht. Die Hoffnung habe ich längst aufgegeben. Davon abgesehen spielt es für mich keine Rolle mehr. Im Gegenteil. Der einzige Grund, warum ich mich überhaupt mit ihm auseinandersetze, liegt hinten in ihrem Zimmer und schläft.“
„Genau das ist es doch, Ela. Wie kann er so mit seinem Kind umspringen? Natürlich ist er der beste Vater, wenn sie ihn sieht. Er macht Versprechungen, ist aufmerksam und liebevoll, um dann für Wochen von der Erdoberfläche zu verschwinden. Das ist einfach nicht okay. Noch findet Anna ihn toll, ganz bald wird sie aber an den Punkt kommen, wo sie merkt, wie wenig sie ihm wert ist. Wenn das passiert, wird es für sie richtig schlimm.“
Welche Reaktion erwartet er von mir? Das sind keine Neuigkeiten.
„Warum bist du so aufgebracht? Was
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