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Unwiderstehlich untot

Unwiderstehlich untot

Titel: Unwiderstehlich untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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und bekam plötzlich Hunderte von Kratzern zu spüren, von denen ich bisher gar nichts gemerkt hatte. Der Striemen dort an meiner Kehrseite, wo ich auf den Zaunpfahl gefallen war, und der große rote Fleck auf meiner Brust freuten sich nicht gerade über das heiße Wasser, aber man kann es eben nicht allem recht machen. Wenigstens spülte es den Schlamm fort, der sich in Pritkins Haar und an seinem Hals festgesetzt hatte.
    Die Seife brannte, aber ich machte trotzdem Gebrauch davon, schrubbte die Schmutzkruste ab und versuchte, nicht auf das Haar auf meiner Brust zu achten. Und an den Beinen, wie mir auffiel, als ich mich bückte, um mich auch zwischen den Zehen zu waschen. Es waren dunkelblonde Männerhaare, die das Wasser hellbraun machte, und es gab reichlich davon, nicht nur an den Waden. Sie wucherten auch an den Oberschenkeln, stellte ich mit wachsendem Entsetzen fest. Es fühlte sich völlig verkehrt an.
    Ich legte die Stirn ans Glas und atmete mehrmals tief durch. Alle Muskeln und Nerven in mir fühlten sich überanstrengt an und steckten so voller Spannung, dass ich befürchtete, eine falsche Bewegung könnte dazu führen, dass alles in mir riss. Warum waren es immer die kleinen Dinge, die mir zusetzten? Ich konnte damit fertig werden, dass mir ziemlich viele Leute nach dem Leben trachteten – das war nicht neu –, ebenso mit den Angriffen von Dämonen und irren Kriegsmagiern und sogar mit dem Gewicht, das ganz eindeutig nicht zwischen meinen Beinen baumeln sollte. Aber für einen Moment war all das Haar einfach zu viel für mich.
    Ich steckte nicht zum ersten Mal in einem anderen Körper, erinnerte ich mich. Ich hatte mir alle Mühe gegeben, es zu vermeiden, aber das war nicht immer möglich gewesen. Warum also fühlte ich mich diesmal anders? Vielleicht lag es daran, dass meine früheren Abstecher in andere Körper kurz gewesen waren und höchstens ein oder zwei Stunden gedauert hatten. Vielleicht lag es daran, dass ich erneut fast gestorben wäre, und es fiel schwer, sich an so etwas zu gewöhnen. Oder es lag daran, dass ich Pritkin war.
    Ich hatte nur einmal in einer anderen Person gesteckt, die mir vorher bekannt gewesen war, und das verdankte ich reinem Zufall. Die ganze Sache hatte nur einige wenige verwirrende Minuten gedauert, die mir jedoch lang genug erschienen waren. Die gegenwärtige Erfahrung hingegen versprach schon jetzt, die Beziehungen zwischen Pritkin und mir auf ein ganz neues, noch zu erforschendes Niveau zu bringen, und ein Ende war nicht in Sicht.
    Das grässliche Jucken unter der Haut hörte endlich auf. Vorsichtig strich ich mit den Fingern über den verletzten Arm, und diese Bewegung schickte etwas mehr Dreck und getrocknetes Blut in den Abfluss. Doch darunter fühlte ich heile Haut mit einem kleinen Buckel dort, wo die Wunde gewesen war. In nur einer Stunde hatte sich Pritkins Körper vollkommen geheilt – es schien gewisse Vorteile mit sich zu bringen, einen Dämon als Vater zu haben.
    Allerdings mangelte es auch nicht an Nachteilen.
    In letzter Zeit hatte ich ein wenig darüber gelesen. Die alten Erzählungen waren lückenhaft und oft widersprüchlich, ganz zu schweigen davon, dass jeder Autor die gehörte Geschichte nach Herzenslust ausgeschmückt hatte. Aber die frühesten Legenden vor den romantischen Ergänzungen hatten eins gemeinsam: Sie waren alle verdammt düster.
    Nachdem Merlins Mutter bei der Niederkunft gestorben war, hatte ihre Familie nichts mit dem halb dämonischen Kind zu tun haben wollen. Irgendwie überlebte er und wurde zu einem in den Wäldern hausenden Kuriosum. Manche bezeichneten ihn als Verrückten, andere als Propheten. Wieder andere flüsterten von einem ungewöhnlich mächtigen Zauberer, dessen menschliche Magie durch Dämonenblut zusätzliche Kraft bekam. Niemand fragte sich, wie es sein mochte, allein aufzuwachsen, als Ausgestoßener, den man für eine Art Missgeburt hielt.
    Und dann kam die Zeit in der Hölle. Pritkin hatte mir einmal erzählt, dass bei uns auf der Erde Jahrhunderte vergangen waren, für ihn aber nur etwa ein Jahrzehnt. Doch zehn Jahre im Reich der Dämonen… Das klang für mich alles andere als erstrebenswert. Wie genau es gewesen war, wusste ich nicht, denn er sprach nie von den Dingen, die er damals erlebt und gesehen hatte. Wenn es um persönliche Dinge ging, war er zurückhaltender als alle anderen Leute, die ich kannte. Gespräche, die in diese Richtung zielten, verliefen schnell im Sande. Wenn er von Dämonen sprach,

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