Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
goldäugigen Englänger bei seinem Bad gefällig sein wollten, zog sie Poppy mit sich an dem Alkoven vorbei, wieder einmal dankbar, dass ihre Schuhe aus buntem Stoff waren und lautloses Bewegen ermöglichten.
Als sie unter dem anmutig geschwungenen Türbogen am Ende des langen Flures in den Hauptraum des Harems gelangten, empfing sie eine schier erstickende Wolke Weihrauch und der Duft von Dutzenden Frauen, die alle von Kopf bis Fuß mit parfümierten Ölen eingerieben waren.
Der Reichtum des Sultans war in jedem sorgsam ausgewählten Detail des geräumigen achteckigen Raumes zu erkennen. Die kuppelförmige Decke war mit Blattgold verziert, und jede Fläche war kunstvoll bemalt, nicht wenige davon mit erotischen Motiven. Die obere Hälfte der Wände bestand aus einem Teakholzgitter, was die luftige Atmosphäre im Saal noch verstärkte – oder den Eindruck, in einem übergroßen Vogelkäfig eingesperrt zu sein. Anmutig geformte Säulen aus kostbarem Marmor und mit Kapitellen in Form von Papyrusblättern verziert standen an verschiedenen Stellen im Raum. Der Boden war mit Mosaiken in satten Tönen in allen Farben des Regenbogens ausgelegt.
Die Pracht des Raumes hätte den elegantesten Londoner Ballsaal in den Schatten gestellt. Aber für Farouk war es nicht mehr als eine passende Umgebung für seine kostbarsten Schmuckstücke – die wunderschönen Frauen, die auf Kissen und Sofas in allen möglichen Posen und in den verschiedensten Stadien der Bekleidung ruhten.
Gewöhnlich gönnten sich die Haremsdamen am frühen Nachmittag ein Nickerchen, während die Eunuchen und die Sklavenmädchen die schwüle Luft um sie herum mit den riesigen Fächern bewegten, die sich reich mit Edelsteinen und Pfauenfedern verziert an verschiedenen Stellen befanden. Aber diesen Nachmittag war eine gewisse Unruhe zu spüren, die Frauen sahen sich mit großen Augen um, wirkten auf der Hut und unterhielten sich flüsternd. Da sie wenig zu tun hatten, um sich die Zeit zu vertreiben, außer Klatsch, Tratsch und Intrigen, erstaunte es Clarinda nicht, dass die Ankunft von Farouks exotischen Gästen für solche Aufregung sorgte.
In gewisser Weise unterschied sich das Leben im Harem gar nicht so sehr von dem in Miss Throckmortons Mädchenpensionat. Nur dass die Frauen hier, statt im Tanzen und in Handarbeit unterwiesen zu werden, lernten, wie sie am effektvollsten Juwelen in ihre kunstvoll geflochtenen Zöpfe woben und wie man die sexuellen Fantasien eines Mannes am besten verwirklichte.
Auf den ersten Blick konnte man sogar den Eindruck gewinnen, als genössen die Frauen des Sultans mehr Freiheiten als ihre englischen Geschlechtsgenossinnen. Sie standen auf, wann immer sie wollten, und ihnen wurde von ergebenen Sklaven jeder Wunsch von den Augen abgelesen, jede Laune erfüllt. Man erwartete von ihnen nicht, dass sie sich in enge Korsetts schnürten, bis sie keine Luft mehr bekamen, oder dass sie ihre Füße in Schuhe zwängten, die an den Zehen drückten, sondern sie durften flatternde Gewänder oder lose sitzende Pluderhosen tragen.
Sie verbrachten nicht Stunden über Stunden mit lästigen und langweiligen Pflichten wie Sticken, Klavierüben und dem Verfassen von Antworten auf stapelweise erhaltene Briefe oder dem Erlernen der hohen Kunst des perfekten Teeeinschenkens. Stattdessen konnten sie den ganzen Vormittag faulenzen, sich im von Mauern abgeschotteten Garten des Harems sonnen und sich den Nachmittag über mit einem Gedichtband auf ein Sofa zurückziehen oder sich die verspannten Muskeln von den fähigen Händen eines Eunuchen durchkneten lassen. Es war nicht schwer zu verstehen, dass sie alle auf Farouks Befehl hin Englisch lernen konnten. Mit so viel Zeit hätte Clarinda mehrere Sprachen erlernen können.
Sie hätte sie vielleicht um ihre angenehme Lebensweise beneidet, aber sobald die Türen des Harems sich schlossen, wurde rasch offensichtlich, dass ihre Freiheit nur eine Illusion war. Sie wurden verwöhnt und litten keine Not, aber sie waren genauso Gefangene und den Launen des Sultans ausgeliefert wie die Sklaven, die ihm dienten.
Manche von Farouks Frauen waren seine Ehefrauen, andere Konkubinen. Wie auch immer ihr Stand war, sie hatten alle nur einen Lebenszweck. Sie lebten, um dem Sultan zu dienen. Sich um seine Bedürfnisse zu kümmern und ihm Lust zu schenken. Ihm Erleichterung zu verschaffen – entweder sexuell oder einfach, indem sie seinen Kopf in ihren Schoß betteten und ihm die Stirn streichelten, während er ihnen
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