Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
Anschein, als ob die Gastfreundschaft meines Neffen bei Engländern derzeit hoch im Kurs steht«, warf Tarik ein. »Ich nehme an, wenn König William mit seiner gesamten Armee im Schlepptau käme, würdest du die Tore weit aufreißen und ihn einladen, deine Schätze zu plündern und deine Frauen zu schänden.«
»He! Ich hatte nicht vor, das Mädchen zu schänden«, widersprach Luca. »Ich bin sogar ziemlich sicher, dass sie kurz davor stand, mich zu schänden.«
»Es reicht«, wies Farouk seinen Onkel scharf zurecht. »Wir sind keine Barbaren, und ich dulde kein ungebührliches Verhalten meinen Gästen gegenüber.«
Tarik sprang mit rot angelaufenem Gesicht auf. »Wenn dein Vater noch am Leben wäre, würdest du dafür ausgepeitscht, dass du es wagst, so respektlos mit mir zu reden.«
Als habe er nur auf solch eine Gelegenheit gewartet, stürmte der Mann mit wehenden Gewändern und seinem hakennasigen Freund auf den Fersen aus dem Raum. Die anderen Gäste verfolgten seinen dramatischen Abgang mit mildem Interesse, ehe sie sich achselzuckend wieder ihren Speisen und ihren Gesprächen zuwandten. Offenbar waren solche Ausbrüche von Tarik nicht ungewöhnlich.
Farouk schüttelte den Kopf und seufzte. »Kümmer dich nicht um meinen Onkel. Seine Füße stecken noch im Sand der Vergangenheit fest, statt sich der Zukunft zuzuwenden.« Er drehte sich wieder zu Clarinda um, als habe der hässliche Zwischenfall nie stattgefunden. »Sprich weiter, meine Teure.«
Clarinda räusperte sich umständlich, dann begann sie: »Nun … Miss Montmorency und ich waren auf der Reise nach Indien, um an der Hochzeit einer … einer lieben Freundin teilzunehmen, als unser Schiff von Korsaren angegriffen wurde. Viele Mitglieder der Schiffsbesatzung verloren bei dem Kampf ihr Leben, aber wir wurden gefangen genommen. Danach mussten wir mehrere Tage im Bauch des Piratenschiffes ausharren, während es Kurs auf die Küste nahm. Man hat uns von Anfang an gesagt, dass es beabsichtigt sei, uns auf dem Sklavenmarkt in Algier an den Meistbietenden zu verkaufen. Unsere Zofen und die Gattin des Kapitäns hatten leider nicht so viel Glück.«
Seltsamerweise verriet ausgerechnet das vollständige Fehlen von Ausdruck in ihrer Stimme, was für ein furchtbares Schicksal diese armen Frauen ereilt haben musste. Ein Schicksal, das sie geteilt hätte, wenn die Habgier der Piraten nicht größer gewesen wäre als ihre Wollust. Luca sah nahezu so entsetzt aus, wie Ash sich fühlte.
»Sobald wir in Algier angekommen waren«, fuhr sie fort, »zerrten sie uns in Ketten zum Sklavenmarkt in der Altstadt. Sie zogen uns die Kleider vom Leib, sodass wir nur noch in Unterwäsche dort standen.«
Obwohl seine Miene so ausdruckslos blieb wie ihre, war Ashs Brust vor Bestürzung und Wut so eng geworden, dass er kaum noch Luft bekam. Schon als kleines Mädchen hatte Clarinda einen nicht zu brechenden Stolz. Er konnte sie sich kaum in Ketten vorstellen und noch viel weniger nackt auf einem Sklavenmarkt. Die Erniedrigung, die sie in den Händen ihrer Peiniger erfahren haben musste, während sie ihr die Kleider fortrissen und sie den lasziven Blicken Dutzender lüsterner Männer aussetzten, musste entsetzlich gewesen sein.
Und er saß hier Wein trinkend, als befände er sich in einer luxuriösen Loge im Theatre Royal und verfolgte eine Aufführung. Er nötigte sie quasi, die Erniedrigung dieses Augenblicks noch einmal zu erleben. Was für ein Mistkerl ich bin , dachte er.
»Bitte, Miss Cardew …«, begann er brummig und hob eine Hand in der Hoffnung, sie am Weitersprechen zu hindern. »Der Sultan hat recht. Es besteht keine Notwendigkeit für Sie, meinetwegen oder wegen eines anderen solch schmerzhafte Erinnerungen heraufzubeschwören.«
Aber Clarinda hatte noch nie eine Herausforderung gescheut, und er konnte an ihren Augen ablesen, dass sie fest entschlossen war, zu Ende zu bringen, was er begonnen hatte.
Sie hatte gelitten. Jetzt war er an der Reihe.
Als sie weitersprach, sah er albtraumhaft in seinem Kopf, wie sich jeder elende Augenblick ihres Martyriums entfaltete. »Der Sklavenhändler hat mich auf den ersten Auktionsblock geschubst. Als die Männer zu rufen begannen, sie wollten mehr von seiner Ware sehen, befahl er mir, mein Unterhemd auszuziehen – was zu dem Zeitpunkt praktisch kaum mehr als ein Fetzen war – und vor allen splitterfasernackt zu stehen. Ich habe gehört, wie er mehreren der reicher aussehenden Männer versprochen hat, sie könnten auf den
Weitere Kostenlose Bücher