Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition)
sie sind absolut nicht verträumt – ein besonderes Licht brennt in ihnen, wie das Feuer der Sonne im blauen mediterranen Himmel. In den blauen Augen des kleinen Jungen brennt ein so leidenschaftliches Blau.
Zwei Bauersfrauen stellen sich ein, zum »Tauschen«. Sie haben Kartoffeln und Mais. Für zweihundert Kilo Kartoffeln und einen Doppelzentner Mais verlangen sie: eine nagelneue Damenwolljacke und einen Ballen Lodenstoff und so weiter. Ihre Unersättlichkeit und Habgier sind so unverhohlen, dass ich ihnen staunend, mit offenem Mund zuhöre und sie anschließend hinauswerfe.
Letztes Jahr haben Bauern das Gleiche aufgeführt: Sie warteten, bis die Russen – nachdem Freunde und Verwandte sie angezeigt hatten – ohne Bezahlung alles aus ihren Kellern abholten, doch den Ungarn haben sie nichts gegönnt; oder wenn doch, versuchten sie dem Käufer auch noch die Gedärme aus dem Leib zu pressen. Auch jetzt warten sie, bis man bei ihnen für die öffentliche Versorgung requiriert, was sie versteckt haben – das wird unvermeidlich eintreten –, vorher aber klappern sie noch schnell die nähere Umgebung ab, um zu erpressen. Und über diese Leute schreiben manche Dichter Heldenballaden.
Mein Verleger benachrichtigt mich, dass die Neuausgabe meines Romans Die jungen Rebellen von der »Vorzensur« im Amt des Ministerpräsidenten nicht genehmigt wurde. Sie hat nichts gegen den Inhalt des Buches – diesen Roman, dessen pazifistischer, kriegsfeindlicher Grundton unmissverständlich ist, konnte man unter der vorherigen faschistischen Regierung nicht neu verlegen –, aber »in diesem Jahr hat der Révai-Verlag schon genügend Bücher herausgebracht«. Darum genehmigen sie die Neuausgabe nicht. Obwohl wir nicht einmal Papier angefordert haben, weil mein Verleger einstweilen noch ausreichend Leinen und Papier vorrätig hat, das er jetzt während der Inflation verschleudert und dann nur mit großen Mühen wird ersetzen können. Und Révai hat in diesem Jahr insgesamt nur acht Bücher herausgegeben – allesamt von literarischem Wert, unter ihnen Orlando und Hemingways Roman über den Spanischen Bürgerkrieg – und muss zweihundert Angestellte und Arbeiter bezahlen. Man erlaubt dem Verlag nicht zu arbeiten – warum?
Die »Vorzensur« wurde in Ungarn weder von den Russen noch von den Angelsachsen gefordert; in Zeitungen, auf der Bühne gibt es keine Vorzensur. Nur Bücher will eine Geheimgesellschaft in Kapuzen und Baschliks, deren Mitglieder von den Parteien ins Ministerpräsidentenamt entsandt werden, überprüfen und verhindern. Diese Gesellschaft beruft sich auf die »faschistische Gefahr«, die – so glaubt sie – eine vorhergehende Zensur der Bücher erforderlich macht. Das ist die Ausrede, dieser billige Vorwand ist nur zu durchsichtig. Ein Buch wird unter großem materiellen Aufwand hergestellt, sein Autor, Herausgeber oder das erschienene Buch selbst aber sind sehr leicht wegzusperren, wenn sie gefährlich sind. Die Staatsanwaltschaft kann auch noch nach dem Erscheinen eines Buches auf ganz einfache Weise damit fertig werden: In einigen Buchhandlungen werden die Exemplare, wenn sie nicht genehm sind, eingesammelt, der Drucker wird vorgeführt und so weiter. Das Erscheinen illegaler Bücher und der Betrieb illegaler Druckereien lässt sich durch die Zensur ohnehin nicht verhindern. Ein Kontrollexemplar und einen Staatsanwalt, der die Bücher prüft, hat es immer gegeben. Nein, der wahre Grund des Verbots ist der Terror der konkurrierenden großen Verlagshäuser, die in die Hände der Parteien gefallen sind. Sie wollen nicht, dass auch andere leben und schreiben, zumindest nicht so und nicht so viel, wie Schriftsteller und Verleger planen, sondern so, wie SIE es erlauben.
Dieser Insult ist heftig. Auf der Sitzung der Ungarisch-Sowjetischen Literarischen Gesellschaft rufe ich die Schriftsteller dazu auf, gegen die Vorzensur zu protestieren. Die Schriftsteller sind begeistert und engagiert meiner Meinung; mit Ausnahme von ein, zwei Leuten. Diese »ein, zwei« sind Kommunisten. Sie winden sich und meinen, die Zensur sei doch wünschenswert. Und das sagen Schriftsteller … Natürlich sagen sie das auf Order der Partei. Peinliche Stille. Wir formulieren die Erklärung, doch die kommunistischen Schriftsteller verweigern ihre Zustimmung. Dafür haben wir das alles ertragen? Das viele Leid, die Erniedrigungen, um jetzt nicht einmal das elementare Recht der Gedankenfreiheit fordern zu dürfen? … Das ist die Realität.
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