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Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition)

Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition)

Titel: Unzeitgemäße Gedanken: Tagebücher 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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mit der politischen Haltung, die ich in der Vergangenheit an den Tag gelegt hätte, unzufrieden wären, sie kreideten mir Artikel an, in denen ich mich in der Vergangenheit abfällig über die Russen und den Kommunismus geäußert hätte; und überhaupt seien sie mit mir unzufrieden. Ich bedanke mich für die Warnung, doch werde ich mich nicht danach richten; ich werde in der Stadt kommen und gehen wie bisher, überlasse es meinen »Gegnern«, meiner habhaft zu werden oder mich exekutieren zu lassen, und überhaupt, sie können mit mir machen, wonach ihnen der Sinn steht. Denn wer sind diese »Gegner«? Meist schlechte, politisch linke Autoren, die jetzt – wie die »Rechten« und die Pfeilkreuzler in der Vergangenheit – eine historische Chance wittern, sich mit dem Recht weltanschaulicher Anschuldigungen eines Berufskollegen zu entledigen. Diese Gefahr ist immer real, doch darf man sich nicht um sie kümmern. In letzter Zeit habe ich mich daran gewöhnt, dass ich mal hier, mal dort auf Listen politischer Gruppierungen erscheine, als einer von denen, die von den neuen Herren der Macht unbedingt hingerichtet werden sollen. Verhaftung, Deportation, niederträchtigere Gefahren: All das gibt’s und gibt’s auch nicht. Es sind Begleiterscheinungen des menschlichen Lebens, unseres Handwerks, sie entspringen der menschlichen Natur, sind aber keine schlimmeren Gefahren als eine Seuche oder das Elend. Die wirkliche »Gefahr« beginnt für mich, wenn irgendein neues System nach der ersten Aufregung und Abrechnung entdeckt, dass es Schriftsteller benötigt, Ärzte, Wissenschaftler, Musiker, diese unverzichtbaren Arbeiter in den eigenen Reihen nicht findet, und schließlich jedermann, der in seinem Beruf etwas zustande bringt und schafft, einzuladen beginnt … auch dieser Augenblick wird kommen. Dann ist es wirklich gefährlich, denn ich kenne die ungarische Gesellschaft und weiß, dass es hier für mich keine »Funktion« gibt und auch nicht geben kann. Für mich ist nur die Arbeit möglich, ohne eine Funktion. Alles andere ist nicht der Beachtung wert.
    Der Garten atmet, der Ackerboden wartet darauf, umgebrochen zu werden, dass man Bohnen, Kartoffeln, Mais und andere irdische Güter, deren Früchte jetzt lebenswichtig sind, darauf zieht. Arbeitskraft gibt es aber nicht. Die Zugtiere wurden massenweise von den Deutschen und den Russen fortgeschafft (allerdings gab es im Dorf noch nie so viele Pferde wie jetzt, da dank der weisen Voraussicht der Dorfbewohner in den letzten Monaten die herumstreunenden Pferde sehr sorgfältig eingefangen, also gestohlen worden sind!), die Arbeiter gehen zum Arbeitsdienst. Es gibt keine Gärtner, die Tagelöhner zieren sich mit arroganter Überlegenheit vor der Arbeit und sind unbezahlbar wählerisch. Meine Freunde raten mir, ich solle den Garten selbst umgraben, Bohnen und Kartoffeln pflanzen.
    Ähnliches haben auch Epikur, Voltaire und neuerdings sogar die französischen Schriftsteller, die das Elend des Krieges ins Dorf gezwungen hat, empfohlen. Gewiss ist es eine schöne Arbeit, etwas anzupflanzen, an einem Frühlingsmorgen in der Erde herumzuwühlen, auch wenn sie nicht uns gehört … Ich habe aber weder Kraft noch Lust zu solcher Arbeit. Ein Garten in Frühlingspracht labt auch meine Seele, ich verzehre seine Früchte voller Genuss, aber nur, wenn ich den Kaufpreis der Früchte mit geistiger Arbeit verdienen kann. Für mich ist jeder andere Versuch, zu säen und zu ernten, gekünstelt, aufgezwungen und unehrlich. Ich bin kein Landarbeiter. Ich bin kein Amateurgärtner. Der »Erdgeruch« erregt mich nicht. Ich bin ein hoffnungsloser Fall und ein siebenmal verfluchter Urbanist, ein sturer und dickköpfiger Stadtmensch. Im zertrümmerten Budapest, im Café Central, fühl ich mich heimischer als in einem schönen Garten, den ich im Schweiße meines Angesichts und mit meiner beiden Hände Arbeit bestellt habe. Ich bin in irgendeinem Winkel von Paris, auf einer Straßenbank, glücklicher, als ich am Donauufer zwischen Zwiebeln und Tomatenpflanzen je sein könnte. Man kann mich töten, verbannen, proskribieren, trotzdem werde ich kein anderer sein als ich bin: ein Städter, der sich nur in der Stadt als Mensch fühlt, als denkendes, arbeitendes, agiles und nützliches Lebewesen. Möge der seinen Garten bestellen, der Lust dazu verspürt oder den die Not zwingt. Ich habe in einem Garten nur Lust, unter einem Schatten spendenden Baum Voltaire oder Epikur zu lesen, mit dem Augenglas auf der

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