Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
ich mich tatsächlich auf so etwas freute. Denn sich auf etwas zu freuen, bedeutete, Pläne zu machen und daran zu glauben, dass es jenseits dieser Nacht noch etwas anderes gab. Und eben das brauchte ich gerade, um meine Nerven zu beruhigen.
Denn ich wusste nicht, ob sich Sirhan oder irgendwer sonst auf meinen Plan einlassen würde – oder ob ich ihm überhaupt vertrauen konnte, was meine Forderungen betraf. Nur die Zeit würde die Antwort geben können.
Wir fuhren nicht weit. Der einzige Ort, den Dad bei so vielen Menschen für geeignet gehalten hatte, war der Gemeindesaal in der Pfarrkirche. Einer der Wächter scheuchte mich mit seinem Speer aus dem Wagen auf den leeren Parkplatz. Einen Augenblick fürchtete ich, gekidnapped worden zu sein, seufzte aber erleichtert auf, als ich die Karawane der schwarzen Cadillacs hinter uns eintreffen sah. Aus einem dieser Wagen stiegen Daniel und mein Vater. Talbot, Jude und die verlorenen Jungs kamen in anderen Autos angefahren.
Die Speerträger führten uns in das Gebäude. Die lange Prozession des in Roben gewandeten Sirhan-Clans – oder der Urbats, um genau zu sein – folgte unmittelbar. Wir versammelten uns im Gemeindesaal und standen herum wie Schafe, die auf eine Wiese geführt worden waren.
Oder vielleicht auch ins Schlachthaus.
Daniel nahm meine Hand auf eine Art, als glaubte er, sie das letzte Mal nehmen zu können.
»Alle sehen mich an«, sagte ich und deutete auf die Mitglieder von Sirhans Rudel, die mich erwartungsvoll anstarrten.
»Kein Wunder, nach dem, was du für Jordan getan hast. Du bist ›Die Göttliche‹, vergessen?«, erwiderte Daniel. »Für sie bist du eine legendäre Figur. Und du bist deinem Ruf gerecht geworden.«
»Oh. Ja. Das.« Noch zu Beginn der Woche hatte ich mich mutterseelenallein gefühlt. Jetzt – umgeben von all diesen Menschen, die mich ansahen – bekam ich Platzangst. »Moment mal. Jordan? « Daniel kannte den Namen der jungen Frau?
Aber er hatte sich bereits an einen der Speerträger gewandt. »Was nun?«, fragte er ihn.
»Wir warten auf Sirhan.«
»Weshalb braucht er so lange?«
Der Wächter hob eine Augenbraue und wippte ein wenig hin und her, so als überlegte er, wie viel er sagen dürfte. »Sirhan hat seine eigenen Ärzte bei sich. Er wird den Wagen erst verlassen, wenn sie ihn genau untersucht haben und es für ungefährlich halten, dass er transportiert wird.« Er runzelte die Stirn. »Er hätte den Landsitz erst gar nicht verlassen dürfen, wenn du mich fragst.«
Daniel nickte. Ich kannte ihn zwar nicht, war über die Ehrlichkeit des Wächters jedoch erstaunt.
Die Minuten vergingen. Sirhans Leute fingen an, miteinander zu reden. Einige zeigten auf mich. Der Wächter, mit dem Daniel gesprochen hatte, ließ uns zurück und schloss sich den neun anderen grün gewandeten Speerträgern an, die in einer Ecke standen und sich anscheinend in eine Diskussion vertieft hatten. Ein paar der blau gekleideten Männer hatten die Roben ausgezogen und liefen in alten T-Shirts und Jeans herum.
»Was sollen eigentlich diese Gewänder?«, fragte mich Jude. »Sie sehen aus wie eine Truppe Zauberer.«
»Meine Hypothese ist«, warf Brent ein, »dass die Roben für eine Zeremonie oder für die post-transformatorische Bequemlichkeit vorgesehen sind.«
»Post was?«, wollte Slade wissen.
»Na, du weißt schon. Der Nackt-Faktor. Normale Klamotten überleben den Verwandlungsprozess normalerweise nicht. Und das bedeutet, dass du immer nackt bist, wenn du dich dann zurückverwandelst. Diese Roben sind echt clever. Man kann sie vor der Verwandlung leicht ablegen, und sie sind sehr praktisch und bequem, wenn du bei der Rückverwandlung deine … Privatsachen bedecken möchtest.«
Slade lachte. »Gefällt mir, wie sie denken. Ich fand es an dieser ganzen Werwolfnummer auch immer total idiotisch, inmitten eines Haufens nackter Kerle aufzuwachen.«
»Brent hat übrigens mit beiden Annahmen recht«, sagte Daniel. »Während meines Aufenthalts bei Sirhans Rudel haben sie immer die Roben getragen, wenn sie befürchteten, dass vielleicht ein Kampf ausbrechen könnte. Und außerdem tragen sie ihre farbigen Zeremoniengewänder, um andere zu beeindrucken.«
»Ich habe immer recht«, sagte Brent und spannte die Muskeln. Ich hatte allerdings keine Ahnung, was diese Geste mit Intelligenz zu tun haben sollte. »Und deswegen«, fuhr er fort und zeigte auf Ryans Gesicht, »solltest du unbedingt diese Blasen aufkratzen. Wie ich gesagt habe.«
Ryan hob
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