Urbat: Gefährliche Gnade (German Edition)
Das ist absolut lächerlich. Also, wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich jetzt gerne den Wagen ausräumen und James ins Bett bringen. Wir sind die ganze Nacht durchgefahren.«
Tante Carol wollte ihnen gerade die Tür vor der Nase zumachen, aber Marsh stellte seinen Fuß auf die Schwelle.
»Wie dem auch sei, wir würden uns gerne mal umsehen, wenn Sie erlauben.« Er starrte mich an. »Wir befürchten, dass dieselbe Person, die diese Jäger angegriffen hat, auch ein gefährliches Tier bei sich beherbergt. Dieser Wolf, der den Jägern entkam, ist möglicherweise bereits für zwei Todesfälle verantwortlich. Eine Krankenschwester vom städtischen Krankenhaus und Pete Bradshaw, der vor zwei Tagen gestorben ist.«
»Was?«, fragte Charity mit leiser Stimme. Ihr Mund stand offen. Wahrscheinlich hatte sie gerade zum ersten Mal von Petes Tod gehört.
»Es geht hier um die öffentliche Sicherheit«, fügte Sheriff Wright hinzu.
»Meine Nichte hat Wichtigeres zu tun, als wilde Tiere nach Hause zu bringen.«
Ich versuchte, meinen unbeteiligten Gesichtsausdruck beizubehalten.
Charity sah mich wieder merkwürdig von der Seite an.
»Außerdem kenne ich meine Rechte«, sagte Tante Carol und drohte Marsh mit dem Finger. »Sie brauchen eine richterliche Anordnung, um hier reinzukommen.«
»Nein«, sagte ich. »Sie dürfen sich hier gerne umsehen. Ich habe nichts zu verbergen.« Ich machte einen Schritt zur Seite und winkte sie hinein. Nur wenn ich ihnen Zugang gewährte, würden sie aufhören, mich zu verdächtigen. Und ich hatte genügend Vertrauen in Daniels Fähigkeiten, außer Sichtweite zu bleiben.
»Wir lassen Sie bald wieder in Frieden«, sagte Sheriff Wright, als er mit Marsh hereinkam. Mit ihren schweren Stiefeln stapften sie durchs Haus, öffneten ein paar Türen und schlossen sie wieder.
Tante Carol folgte ihnen auf Schritt und Tritt und beschwerte sich über den Dreck, den sie hereintrugen. In einigen Dingen unterschieden sich Mom und Tante Carol kaum. Charity verkündete, das restliche Gepäck aus dem Auto holen zu wollen, und verschwand durch die Vordertür.
»Ich hab Hunger«, sagte James noch einmal, während er in meinen Armen herumzappelte.
»Dann holen wir dir mal ein bisschen Müsli«, sagte ich und versuchte währenddessen, mein Supergehör auf die beiden Sheriffs zu konzentrieren, die ihre Suche in den Keller verlagerten. Ich hoffte inständig, dass sich der Schmutz aus meinen Klamotten in der Waschmaschine mittlerweile rausgewaschen hatte.
Ich setzte James auf seinen Kinderstuhl, öffnete eine der Schranktüren und nahm ein Paket Müsli heraus. Dann füllte ich es in eine Schüssel und gab sie James.
»Nana?«, fragte James und lächelte mich dabei so niedlich an, dass ich ihm nicht widerstehen konnte.
Also nahm ich eine Banane aus der Obstschale und zog ein Messer aus dem Messerblock. Als ich die Banane in kleine Stückchen schnitt, fiel mir plötzlich ein, dass ich die Gewehre unter die hintere Veranda geworfen hatte. Ich war gestern Nacht so besorgt um Daniel gewesen, dass ich vollkommen vergessen hatte, die Waffen zu verstecken. Mein Blick wanderte zur Hintertür, und ich überlegte, wie schnell ich zu den Gewehren kommen könnte, bevor die beiden Polizisten wieder aus dem Keller heraufkamen. Aber was sollte ich dann mit ihnen anfangen? Sie über den Zaun in den Wald werfen? Was wäre, wenn eines der Gewehre beim Aufprall losginge? Was würde passieren, wenn sie mich dabei erwischten?
»Nana, Nana, Nana«, trällerte James lautstark vor sich hin.
»Schon unterwegs«, sagte ich. Gerade als ich die letzten Stückchen von der Banane abschnitt, erschien Hilfssheriff Marsh in der Türöffnung. Ich zuckte zusammen. »Sch…«, fluchte ich. Ich hatte mir in den Finger geschnitten. Ein paar Blutstropfen traten aus der Wunde. Ich riss ein Stück Küchenrolle ab und wickelte es mir um den Finger. Hilfssheriff Marsh warf mir einen abschätzigen Blick zu. Als wäre mein Fluchen ein Beweis meiner Schuld.
»Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe«, sagte er. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mich draußen mal umsehe?«
Am liebsten hätte ich ihm sein Grinsen aus dem Gesicht gerissen. »Keineswegs.«
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie er durch die Hintertür ging und die Veranda betrat. Er stand jetzt genau über der Stelle, wo ich die Gewehre hingeworfen hatte. Wie sollte ich das je erklären können, falls er sie dort fände? Für meinen Geschmack etwas zu fröhlich pfeifend
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