Urbi et Orbi
wissen Sie allein. Ich möchte, dass der vierte Wahlgang der letzte ist. Andernfalls wird nächstes Jahr um diese Zeit keiner von Ihnen mehr die Kardinalswürde besitzen.«
Einer der Kardinäle setzte zum Sprechen an, doch er würgte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung ab.
»Ich möchte nicht hören, dass Sie für mich gestimmt haben. Sie haben, jeder von Ihnen, Ngovi unterstützt. Doch das wird sich morgen Vormittag ändern. Außerdem möchte ich, dass Sie vor dem nächsten Wahlgang weitere unentschiedene Wäh l er für mich gewinnen. Ich erwarte einen Sieg im vierten Wahlgang, und es ist an Ihnen, das zu erreichen.«
»Das ist unrealistisch«, bemerkte einer der Kardinäle.
»Unrealistisch ist vor allen Dingen, wie Sie der spanischen Justiz nach der Veruntreuung von Kirchengeldern entkommen sind. Man hielt Sie zwar für einen Dieb, konnte Ihnen aber nichts nachweisen. Ich habe Beweise, die mir eine junge Señorita, die Sie recht gut kennen, freundlicherweise zur Verfügung stellte. Und Sie anderen beiden sollten auch nicht so überheblich sein. Ich besitze über jeden von Ihnen vergleichbare Unterlagen, und nichts davon ist sonderlich schmeichelhaft. Sie wissen, was ich will. Setzen Sie etwas in Gang. Berufen Sie sich auf den Heiligen Geist. Wie Sie es anstellen, ist mir egal. Tun Sie es einfach. Wenn Sie Erfolg haben, sorgen Sie damit auch dafür, dass Sie in Rom bleiben.«
»Und was, wenn wir gar nicht in Rom bleiben wollen?«, fragte einer der drei.
»Wären Sie lieber im Gefängnis?«
Vatikanbeobachter spekulierten nur zu gerne über das, was hinter den verschlossenen Türen des Konklave vor sich gehen mochte. Die Archive quollen über von Artikeln, in denen die Kardinäle als fromme Männer im Ringen mit ihrem Gewissen dargestellt wurden. Beim letzten Konklave hatte Valendrea mitbekommen, dass die Kardinäle seine relative Jugend als Nachteil ansahen, da die allzu lange Papstzeit eines Papstes für die Kirche nicht gut sei. Nach ihrer Ansicht waren fünf bis zehn Jahre gut, und alles, was darüber hinausging, wurde problematisch. Ganz verkehrt war diese Einstellung nicht. Die autokratische Herrschaft des Papstes konnte in Verbindung mit seiner Unfehlbarkeit eine explosive Mischung ergeben. Doch beides konnte auch dem Wandel dienen. Die Lehrmeinung des Papstes war unanfechtbar, und ein starker Papst lie ß s ich nicht ignorieren. Er hatte vor, ein solcher Papst zu werden, und von diesen drei kleinen Deppen würde er sich seinen Plan nicht kaputtmachen lassen.
»Ich möchte hören, dass mein Name morgen sechsundsiebzig Mal vorgelesen wird. Falls ich länger warten muss, wird das nicht ohne Konsequenzen bleiben. Heute wurde meine Geduld strapaziert. Eine Wiederholung würde ich nicht empfehlen. Falls ich nicht bis morgen Nachmittag lächelnd auf dem Balkon des Petersdoms stehe, ist Ihr Ruf zunichte, noch bevor Sie in Ihre Zimmer im Domus Sanctae Marthae zurückgekehrt sind, um Ihre Sachen abzuholen.«
Er wandte sich um und ging, bevor sie irgendetwas erwidern konnten.
46
Medjugorje, Bosnien-Herzegowina
M ichener sah die Welt durch einen Schleier. Sein Kopf hämmerte, sein Magen rebellierte. Er versuchte aufzustehen, doch das war unmöglich. Es kam ihm hoch, und ständig wurde ihm schwarz vor Augen.
Er war noch immer im Freien, doch jetzt fiel nurmehr ein sanfter Regen auf seine klatschnassen Kleider. Das nächtliche Unwetter tobte jedoch weiter, denn am Himmel grollte nach wie vor der Donner. Er wollte auf die Uhr sehen, doch vor seinen Augen liefen chaotische Bilder ab, und er konnte die Leuchtzifferanzeige nicht erkennen. Er massierte sich die Stirn und betastete eine Beule am Hinterkopf.
Er fragte sich, was wohl mit Jasna war, und wollte sie gerade rufen, als er ein helles Licht am Himmel erblickte. Erst hielt er es einfach für einen weiteren Blitz, denn zweifellos hatte ein Blitzschlag das Kreuz getroffen, doch dieser Lichtball war kleiner und bewegte sich gleichmäßig. Dann dachte er, es wäre ein Hubschrauber, doch der bläulich weiße Fleck in der Luft kam ganz lautlos näher.
Dann schwebte das Bild über ihm in der Luft. Er konnte noch immer nicht aufstehen, dafür waren Magen und Kopf zu stark angegriffen, und so ließ er sich einfach auf den steinigen Boden zurücksinken und starrte nach oben.
Das Leuchten wurde immer strahlender.
Es verströmte eine tröstliche Wärme. Er beschirmte die Augen mit der Hand, spähte durch die Finger auf das gleißende Licht und sah, wie langsam
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