Urmels großer Flug
aus der Hand. Das Schwein konnte reden! Und
der Herr auf der rechten Seite sprang genauso verblüfft zurück.
Wutz
aber fühlte sich frei, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. »Meine
Herren, ich empfehle mich, öfföff«, blaffte sie wütend. »Besinnen Sie sich ein
andermal früher auf Ihre Erziehung!« Sie zappelte mit allen Gliedern, sie kam
irgendwie zwischen den Sitzplätzen auf die Beine, verwirrt stoben die Leute
davon. Über abgelegte Mäntel, über Hände, Schuhe, Hüte, über allerlei
Körperteile, halb gepreßt, halb hüpfend, halb gerollt, halb geworfen, kollerte
sie hinab. Sie stolperte über die Brüstung, sie fiel in den Sand, kam wieder
auf die Füßchen, raste zum Hubschrauber und sprang auf den Sitz. König Futsch
folgte ihr rasch, schloß die Türen, rief: »Beiseite!« und warf den Motor an.
Da
spritzten die Männer auseinander, sie warfen sich in den Sand, um nicht von den
wirbelnden Rotorblättern zerschmettert zu werden.
Sand
staubte, die Maschine heulte, der Hubschrauber löste sich vom Boden und flog.
Und
noch immer läuteten die Glocken zu Ehren des heiligen Michael.
»Uff
— öfföff«, machte Wutz.
»Ich
kann mich nirgends mehr sehen lassen«, stöhnte der König.
Schon
lagen die gelb-grauen Häuser der Stadt winzig unter ihnen.
Neunzehntes
Kapitel
In dem das Urmel Karneval feiert und einen Kuß bekommt
König Futsch
war fest entschlossen, dem Urmel von nun an auf den Fersen zu bleiben. Er hielt
ständigen Funkkontakt mit dem Info-Zentrum Urmel im Schloß zu Pumpolon. Und
dort, bei Naftaline und Sami, liefen jetzt zunehmend Meldungen von
verschiedenen Polizeistationen ein. Zwar war für die Menschen allenthalben das
fliegende Urzeit-Überbleibsel noch ein unbekanntes Wesen, weil die Suche nach
ihm ganz heimlich durchgeführt wurde, trotzdem zog sich das Netz der
polizeilichen Ermittlungen enger und enger. Wo immer ein seltenes Flugobjekt
gesichtet wurde, man notierte Zeit und Ort, gab Hinweise nach Pumpolon. Und
Naftaline stand an der Weltkarte und steckte Nädelchen.
So
entstand eine Linie, eine Linie aus bunten Stecknadelköpfchen. Und diese Linie
führte über das große Meer, hin zum südamerikanischen Kontinent.
Das
Urmel und Schusch sahen unter sich Ufer verschwinden, das Glitzern des Ozeans
und kleine Schiffe, die wie Spielzeuge dahinzogen. Küsten und Berge tauchten
auf, dann eine Bucht und in der Bucht eine große Stadt. Da gab es viele Inseln,
viele Häuser, eine weite, geschwungene Strandpromenade und einen Berg, der
aussah wie ein Zuckerhut.
Und
als es Nacht wurde, flimmerte diese Stadt in überwältigendem Glanz, sie lag wie
ein aus Millionen von Lämpchen gewebter Teppich unter den beiden
Weltenbummlern. Dort pulste das Leben, die Lichter blitzten, Leuchtreklamen
flammten bunt auf und erloschen, um sofort wieder aufzublühen. Vor allem aber
klang die Stadt, es war eine Stadt voller Musik. Die Musik kam aus allen
Straßen, von allen Plätzen. Es war überall eine andere Musik, und doch schien
es immer die gleiche zu sein, derselbe fröhliche Rhythmus.
Und
die Menschen wogten durch die Straßen. Überall sah man Trupps buntgekleideter
Männer und Frauen.
Neben
einem Platz, der von hohen Palmen eingefaßt war, erspähten Urmel und Schusch
eine stille Ecke. Hier wurde am Tage gebaut. Jetzt lag sie wie tot. Hinter dem
aufgestapelten Material konnten sie ungesehen niedergehen und sich verbergen.
Ein Marmorbrunnen sprudelte. Ringsum tummelte sich der Mummenschanz, Menschen
mit Gesichtsmasken und Kapuzen, Tausende von Kostümen, Haremsdamen, Männer in
weißen Gewändern, Musik- und Tanzgruppen, angeführt von Fahnenträgern.
»Was
ist denn hier los?«
»Karneval!«
sagte Schusch. »Der berühmte Karneval än Räo.« Er meinte Rio de Janeiro.
Dicht
bei ihnen wedelte eine Gestalt im Federkostüm mit einem Sonnenschirm.
»Ich
will auch Karneval feiern«, sagte das Urmel. Und schon hatte es sich unter die
Menge gemischt, taumelte im Sambaschritt zwischen Zauberern und Riesen mit
überlangen Nasen, zwischen Greisen im Zylinder und Grafen aus der Rokokozeit.
Viele hatten dunkle, schöne Gesichter, aus denen das Weiß der Augen strahlte.
»Herrje«,
sprach sich Schusch selbst Mut zu. »Jetzt wärd es wohl schwäräg, das Urmel
nächt zu verlären.« Mit aller ihm zur Verfügung stehenden Behendigkeit
flatterte er neben ihm am Straßenrand her, von Feigenbaum zu Feigenbaum, von
Hausfassade zu Hausfassade, von einem Türmchen zur nächsten
Weitere Kostenlose Bücher