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Urod - Die Quelle (German Edition)

Urod - Die Quelle (German Edition)

Titel: Urod - Die Quelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Levine
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vorgegangen. Dort oben in viertausend Metern Höhe rasend schnell zu fallen, seinem eigenen Ende entgegen, konnte einem den Verstand rauben. Aber Viola hatte sich einfach an das geklammert, was sie hatte, sich nur darauf konzentriert, was zu tun war. Ihren Körper in die richtige Lage zu bringen. Das hatte ihr Halt gegeben und für einen kurzen Moment konnte sie es sogar genießen. Die gewaltige Kraft des Windes, der sogar ihre Wangen zum Flattern brachte, die Unsicherheit, ob sich der Fallschirm öffnen würde. Die Angst. Und auch den Fatalismus. Würde sie sterben, dann wäre es so. Dann könnte sie es nicht mehr ändern. Das war der Moment, in dem sie absolute Freiheit empfand. Und dann ging der Fallschirm auf. Es war unbeschreiblich schön. All die Gewalt wich Sanftheit und Frieden. Sie schwebte zu Boden und hatte kaum je etwas so Erhebendes erlebt.
    „Wie weit ist es noch?“ japste Viola.
    Thomas warf ihr sofort einen besorgten Blick zu.
    „Geht’s noch?“ fragte er.
    Sie nickte nur kurz, damit ihm ihre Kurzatmigkeit nicht weiter auffiel.
    „Wenn wir den Felsen passiert haben, ist es noch etwa ein Kilometer bis zum See. Aber das letzte Stück laufen wir durch offenes Gelände. Das heißt, wir sind von allen Seiten zu sehen, ohne jeden Schutz. Und wenn sie uns nicht sehen, werden sie uns hören oder riechen, falls sie wirklich im Camp auf uns warten. Schont eure Kräfte, denn die letzten tausend Meter müssen wir das Tempo noch mal gehörig anziehen.“
    Sie rannten weiter. Ihre Kehlen brannten vor Durst und ihre Seiten schmerzten, aber das spielte keine Rolle. Ab und zu drehte sich einer von ihnen um, weil er glaubte, etwas gesehen oder gehört zu haben. Doch es geschah nichts. Miles wurde langsamer, bis er schließlich stoppte. Er sah sich um. Noch ein paar Meter, dann endete der schützende Wald und sie würden die freie Fläche erreichen, von der Miles gesprochen hatte. Auch Thomas und Viola suchten nach einer Möglichkeit, die ihnen Deckung geben würde. Doch da war nichts. Nur planes Land. Aufgeweichte, morastige Erde, die ihnen das Laufen schwer machen würde.
    Thomas schüttelte resigniert den Kopf.
    „Vergiss es! Wir müssen mitten durch laufen. Wenn sie hinter uns im Camp sind, sehen sie uns. Dann kommt es nur darauf an, ob wir vor ihnen den See erreichen und wie wasserscheu sie sind. Andernfalls…“
    „Ja, ich weiß“, fauchte Miles. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich weiß“, wiederholte er ruhiger.
    In der Ferne konnte Viola den See erkennen. Er funkelte und glitzerte im Sonnenlicht und sah unheimlich verlockend und einladend aus.
    „Lasst uns zwei Minuten verschnaufen und dann geht’s los!“ sagte Miles.
    „Hat einer von euch noch ein bisschen Wasser?“ fragte Viola. Sie hatten einen solchen Durst, dass er sogar die Angst überlagerte, die ihr ständiger Begleiter geworden war. Thomas hatte noch einen winzigen Rest übrig, den sie sich gierig in die Kehle laufen ließ. Das Brennen ließ etwas nach, aber sie war weit davon entfernt ihren Durst gestillt zu haben. Alles in ihrem Rachen fühlte sich entzündet an. Sie musst sich bewegen, um dieses kratzige Gefühl loszuwerden. Aber Thomas und Miles besprachen leise miteinander, ob es nicht doch noch einen bessere Variante gab.
    Viola wurde immer unruhiger. Sie war außer Stande zuzuhören. Was zum Teufel besprachen sie da bloß? Sie mussten zum See. Sie mussten rennen. Es gab keinen Plan, der sie rettete. Es gab nur Glück oder Unglück. Leben oder Tod.
    Und plötzlich rannte sie los. Bevor sie wirklich begriff, was sie tat, war sie auch schon unterwegs. Immer auf den See zu, der seine verführerischen Lichtblitze wie kleine Botschaften in ihre Richtung aussandte. Sie lief so schnell sie ihre Beine trugen, ohne rechts und links zu schauen, ohne sich umzusehen, ob die beiden ihr folgen würden. Die schlammige Erde machte ihr zu schaffen. Bei jedem Schritt sank sie ein und es war ein ungemeiner Kraftakt nötig, um überhaupt ein gewisses Tempo zu erreichen. Aber sie wollte einfach nur, dass es vorbei war. Dass sie diesen Durst nicht länger fühlen musste. Die Aussicht auf Wasser trieb sie an. Vielleicht würde sie es nicht mal trinken können, aber das war egal. Die Vorstellung alleine war Motor genug. Das nasse Element war ihre einzige Begierde. Sie musste es fühlen, es um sich haben, darin versinken. Es schien ihr Lebensretter zu sein.
    Hinter ihr hörte sie Miles unterdrückt fluchen. Er und Thomas hatten sich in

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