Urod - Die Quelle (German Edition)
Bewegung gesetzt und jagten ihr nach. Hektisch und unregelmäßig schnaufend tauchte Thomas in ihrem Peripher auf. Er sah sie an, doch sie lief einfach weiter. Sie wollte ihr Handeln nicht erklären, sie konnte es auch nicht. Es kam ihr ja selber verrückt vor. Andererseits – worauf warteten sie. Sollten sie sterben, konnten sie es genauso gut jetzt tun.
Thomas setzte an, etwas zu sagen, doch er brauchte seine ganze Energie, um vorwärtszukommen, so dass ihm buchstäblich die Luft weg blieb.
Sie hatten erst wenige Meter zurückgelegt, als sie am Rande des Camps, das zu ihrer Rechten lag, eine Bewegung wahrnahmen. Viola drehte ihren Kopf, um besser sehen zu können und geriet ins Stocken.
„Guck nicht hin! Lauf! Lauft so schnell ihr könnt! Das hier ist unsere einzige Chance“, schrie Miles.
Viola rannte. Doch sie hatte sie gesehen. Es waren drei Urods. Und sie schrien. Stießen diese durchdringenden Schreie aus, die einem die Adern im Schädel platzen ließen. Sie würden nicht lange brauchen, bis sie sie erreicht hätten. Jetzt zählte jede Sekunde. Viola versuchte noch schneller zu rennen, aber sie konnte nicht. Die weiche Erde hielt sie bei jedem Schritt fest, klammerte sich an ihre Füße und ließ sie nicht entkommen. Es war mühsam, so mühsam.
Der See lag nun in seiner grünen Schönheit vor ihnen und war doch noch so weit weg. Unendlich weit.
Die Urods kamen näher. Sie konnten sie alle drei hören. Ihren pfeifenden Atem, das klatschende Geräusch, das sie beim Laufen machten und das überhaupt nicht einzuordnen war. Ihre Wut und Gier erfüllte die Luft wie der beißende Geruch von Säure. Der aufgeweichte Boden schien ihnen keine Probleme zu bereiten, obwohl sie viel mehr wogen als Miles, Thomas und Viola. Sie hatten eine Art sich zu bewegen, die an Wasserläufer erinnerte. Irgendwie schafften sie es, dass niemals ihr ganzes Gewicht auf den Boden prallte. Flink wie Salamander flogen sie über die morastige Erde.
Viola, Thomas und Miles spurteten einfach immer weiter. Ihr Ziel war verlockend nah. Der See höchstens noch dreihundert Meter entfernt. Doch die Urods hatten sie fast eingeholt. Thomas schloss zu Viola auf.
„Renn weiter so schnell du kannst und dreh dich nicht um. Schwimm durch den See und wenn wir nicht nachkommen, dann versprich mir, dass du zum Transporter läufst und dich in Sicherheit bringst. Warte nicht! Hörst du?!“
Viola schüttelte den Kopf. Gleichzeitig war ihr vollkommen klar, dass dies wohlmöglich ihre einzige Überlebenschance war.
„Du tust, was ich dir sage, kapiert!“ Thomas klang wütend jetzt. Entnervt, erschöpft, aber entschlossen. „Ich liebe dich. Bring unser Baby in Sicherheit. Alles andere zählt nicht!“ schrie er.
Viola spürte, dass sich von ganz tief unten eine Fontäne aus Furcht, Wut und Trauer den Weg bahnen wollte, um in einer gewaltigen Fontäne zu eruptieren. Sie wusste, dass sie das nicht zulassen durfte, denn es würde sie schwächen und sie wäre nicht mehr in der Lage weiterzumachen.
„Vielleicht schaffen wir es ja alle. Aber was auch immer passiert – du drehst dich nicht um, klar!“ sagte Thomas atemlos.
Sie rannte einfach weiter, ohne ihn anzusehen. Konzentrierte sich auf jeden einzelnen Schritt, der sie ein bisschen näher an die Erlösung heran brachte.
Die Urods waren jetzt fast bei ihnen. Sie hatten aufgehört zu schreien. Ihr pfeifender Atem hing schwer in der Luft. Bedrohlich wie die Aussicht auf Folter und Qualen.
Miles und Thomas hatten ihre Waffen gezückt. Der See war nur noch wenige Meter entfernt. Viola gelang es, ihr Tempo noch zu steigern. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie es überhaupt bis hierher schaffen könnten. Nur noch wenige Schritte. Hinter ihr hörte sie Miles aufschreien. Nur mit ungeheuerlicher Willenskraft schaffte sie es, sich nicht umzudrehen. Sie hetzte weiter. Der See changierte blaugrün im Sonnenlicht. So schön, so wunderschön.
Die Urods verfolgten sie nicht länger. Thomas' Plan schien aufgegangen zu sein. Sie hielt kurz an, um sich die Schuhe von den Füßen zu reißen und rannte dann in das rettende Wasser des Sees. Die Kälte war atemberaubend und absolut. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Doch sie warf sich einfach kopfüber nach vorne und tauchte unter. Wie dicke Matten aus Eis umfing sie das Wasser. Aber sie schwamm. Das war etwas, das sie konnte. Das Wasser war ihr Element, darin hatte sie sich immer sicher und geborgen gefühlt. Dennoch konnte sie nicht lange unter Wasser
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