Urod - Die Quelle (German Edition)
an.
„ Als erstes: Diese Leiche hat einen Namen“, fuhr sie Thomas an. „Sie heißt Nicole Skutta.“
Thomas keuchte. Auch Viola und Sebastian machten geschockte Gesichter.
„ Du meinst unsere Dozentin Nicole Skutta?“ fragte Sebastian ungläubig.
Enza warf ihm einen düsteren Blick zu. Viola versuchte sich einen Reim darauf zu machen, was das alles zu bedeuten hatte.
„ Meinst du, ihr Selbstmord hat irgendwas mit dem Camp hier zu tun? Ich dachte, sie ist zu Hause gestorben und nicht hier“, sagte Viola verwirrt.
Enza brachte die Antwort einfach nicht über die Lippen.
„ Wie bist du überhaupt an die Bilder gekommen? Bist du ’n Bulle?“ fragte Sebastian.
Die Vorstellung fand Enza dann doch zu absurd. Sebastian missverstand ihre Mimik.
„ Wenn du hier Spielchen spielen willst, dann bist du an die Falschen geraten, dass das mal klar ist!“ schleuderte er ihr entgegen.
Enza zeigte sich unbeeindruckt von seinem Ausbruch.
„ Bitte, Enza, rede mit uns. Was immer es ist, wir sollten es wissen“, bat Viola sie.
Enza seufzte. Es musste wohl sein. Sie hatte keine andere Option, als ihnen reinen Wein einzuschenken, auch wenn das das Letzte war, das sie wollte.
Kurz darauf saßen sie auf dem improvisierten Doppelbett von Viola und Sebastian. Enza hatte das Diktiergerät in der Hand und hielt sich daran fest wie eine Ertrinkende an einem Büschel Ufergras.
„ Das letzte Mal, als ich Nicole gesehen habe, war in der Nacht, bevor sie zu den Ausgrabungen hier gefahren ist. Sie wollte nicht, dass ich sie zum Flughafen bringe. Abschiede waren noch nie ihr Ding.“
Sebastian unterbrach sie erstaunt.
„ Soll das heißen, dass du und Nicole ein, ähm, Liebespaar wart?“
Enza nickte kurz angebunden und sah ihn verärgert ob der Unterbrechung an. Sebastian störte das nicht weiter. Er konnte sich einen Pfiff nicht verkneifen.
„ Die Skutta war ’ne Lesbe. Hättest du das gedacht?“ wandte er sich an Thomas und erntete einen vorwurfsvollen Blick von Viola.
„ Was? Jetzt tut bloß nicht so, als würde euch das nicht überraschen! Sie war unsere Dozentin. Da wird man doch wohl mal nachfragen dürfen.“
„ Kann ich jetzt weiter machen?“
Sebastian breitete die Arme aus und forderte sie mit einer Geste auf, fortzufahren.
„ Danke“, erwiderte Enza ironisch. „In der Zeit, in der sie hier war, hat sie ein paar Mal angerufen, wenn sie in einer der näher gelegenen Orte war. Anfangs öfter aber zum Schluss immer seltener. Sie veränderte sich, während sie hier war. Zuerst war sie ganz begeistert, ja euphorisch. Sie meinte, die Grabungen hier seien ein absoluter Glücksgriff, doch bei unserem letzten Telefonat hatte ich den Eindruck, dass sie etwas bedrückte. Als ich nachfragte, wich sie aus. Sie sei einfach müde und erschöpft. Sonst nichts weiter. Aber ich kannte sie zu gut. Ich wusste, dass da mehr war. Zuerst dachte ich, sie hätte eine Affäre. Auch weil sie mir am Telefon die wildesten Liebeserklärungen gemacht hat. So war sie normalerweise nicht. Als ich dann nichts mehr von ihr hörte, wusste ich nicht, was ich denken soll. Heute wünsche ich mir, sie wäre bloß fremdgegangen. Ich habe die Uni angerufen, alles mögliche probiert. Aber niemand konnte mir etwas sagen. Also wollte ich hierher fliegen, um selbst zu sehen, was los war. Doch zwei Tage, bevor mein Flug ging, kam die Nachricht von ihrem…Tod.“
Enzas Stimme bebte. Sie schwieg einen Moment, um sich wieder zu fangen. Viola legte ihr eine Hand auf den Arm, aber Enza entzog sich ihr und schüttelte den Kopf. Bitte nicht, sonst schaffe ich das hier nicht, schien diese Geste zu sagen. Viola ließ sie in Ruhe.
„ Hat sie dir nicht gesagt, dass sie zurück ist?“ fragte Thomas.
„ Nein, sie schien nicht gewollt zu haben, dass wir uns noch mal sehen. Ich verstand das alles nicht. Konnte mir überhaupt nicht erklären, wieso ein Mensch sich einen so schrecklichen Tod wünscht. Gerüchte über Drogen wurden laut, aber das habe ich keine Sekunde geglaubt. Nicole hasste alles, was mit Drogen zu tun hatte. Sie trank ja nicht mal Alkohol.“
„ Also was war der Grund?“ wollte Viola wissen.
Enza setzte das Diktiergerät auf das Bett vor sich.
„ Ein Pizzafahrer hat mir das hier gebracht. Es muss kurz vor dem Selbstmord entstanden sein.“
Sie spulte die Kassette in dem Diktiergerät zurück und suchte nach einer bestimmten Stelle. Als sie sie gefunden hatte, ließ sie das Band laufen.
Zunächst erfüllte ein Rauschen den
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