Urod - Die Quelle (German Edition)
sofort tiefer in den weichen Erdboden grub, und lief darauf bis zur nächsten, die ihn zur Baracke von Viola und Sebastian führte. Er klopfte leise an die Tür, doch niemand rührte sich. Also drückte er die Klinke herunter. Die Tür war nicht verschlossen, er öffnete sie und trat ein.
Sebastians Schlafsack war zerwühlt und leer. In dem kleinen Holzofen in der Ecke brannte ein Feuer und verströmte wohlige Wärme. Viola schlief noch. Sie lag auf dem Bauch, ihr dunkles Haar fiel ihr über die Schultern und bedeckte ihr Gesicht, ihre helle Haut schimmerte darunter hervor wie Sonnenflecken. Thomas stand eine Weile einfach nur da und sah sie an. Sein Herz zog sich vor Sehnsucht nach dieser Frau zusammen. Er konnte nicht anders, er musste sie berühren. Als er seine Hand zärtlich auf ihre Schultern legte, rührte sie sich, drehte sich um und schlug die Augen auf. Klar und ruhig sah sie Thomas an. Dann lächelte sie. Und plötzlich wusste er, dass alles gut werden würde zwischen ihnen. Er lächelte auch und beugte sich zu ihr herab, um sie zu küssen. Doch sie stieß ihn grob zur Seite, sprang aus dem Bett, sah sich panisch im Zimmer um, rannte schließlich vor die Tür und übergab sich lautstark. Besorgt ging Thomas ihr nach. Doch da kam Viola schon wieder herein und wischte sich über die tränenden Augen. Sie entfernte ihre Ohrenstopfen.
„ Schätze, ich habe mir den Magen verdorben“, sagte sie, bevor Thomas fragen konnte. „Sebastian war der Meinung, Eierbrote seien ein Muss bei langen Busfahrten. Aber ich bin selber schuld. Warum höre ich auch auf den Mann mit dem Magen aus Stahl.“
Sie versuchte ein Lächeln. Doch es gelang ihr nicht recht. Thomas strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie ließ es geschehen, senkte aber den Blick. Er deutete auf seine Zahnbürste.
„ Habt ihr hier so was wie ein Bad oder ein Waschbecken?“
Sie nickte stumm, wies in den hinteren Teil der Baracke und fasste nach seiner Hand, als er sich umdrehte.
„ Ich…“
Er sah sie erstaunt an und zwang sich geduldig auf das zu warten, was sie ihm sagen wollte, obwohl er vor Spannung fast barst.
„ Ich glaube, du hattest recht. Diese Hochzeit ist ein Fehler. Ich weiß noch nicht, wie, aber ich werde mit Sebastian Schluss machen. Ich brauche nur etwas Zeit und… Hilfe. Alleine schaffe ich das nicht. So stark bin ich nicht.“
Wie eine Flut waren die Worte aus ihr herausgebrochen. In Thomas tobten die Gefühle. Er wollte zu ihr rennen und sie ungestüm an sich pressen, doch ihre Körperhaltung verriet allzu deutlich, dass sie jetzt keinen Körperkontakt wünschte. Also blieb er stehen, wo er war und sah sie an. Solange, bis auch ihre Augen sich in seinen verhakten. Alles, was er hätte sagen können, lag in diesem Blick. Und sie verstand. Dann drehte er sich um, griff nach seinem Handtuch und seiner Zahnbürste und ging ins Bad.
„ Pass bloß auf, dass du nicht dreckiger rauskommst, als du reingegangen bist“, scherzte Viola und hatte plötzlich den Eindruck, jemand zöge sie an unsichtbaren Fäden nach oben, bis sie schwebte.
Thomas hatte sich sein T-Shirt ausgezogen und wusch sich den Oberkörper. Viola konnte den Blick nicht von seinem Rücken wenden. Er war schmal, aber seine Muskeln zeichneten sich deutlich unter seiner blassen Haut ab. Er war eher zäh, denn kräftig. Kein Vergleich mit Sebastians imposanter Figur, die ihr schon immer zu perfekt gewesen war. Thomas' Körper hingegen rührte sie. Er schien einfach so viel echter, irgendwie tragischer. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte ihm langsam die Jeans abgestreift, seinen Rücken gestreichelt und… Plötzlich kamen ihr die Tränen. Sie fuhr sich verwirrt durchs Haar. Was war nur los mit ihr? Dann fiel ihr ein, dass sie schon bald ihre Periode bekäme. Ihre Hormone spielten Cello. Das erklärte einiges. Doch so schlimm wie dieses Mal war ihre prämenstruelle Phase noch nie gewesen. Sie schob es auf die unangenehmen Umstände und ihren seelischen Stress.
In dem Moment schlug die Tür hinter ihr mit einem Krachen zu. Viola wirbelte herum. Sebastian polterte herein und ließ ein paar feuchte Holzscheite auf den Boden neben den Heizofen kullern.
„ Hoffentlich trocknen die bis heute Abend. Draußen gießt es schon wieder. Oder wahrscheinlich immer noch. Außerdem hat uns einer vor die Tür gereihert.“
Er kam auf Viola zu und küsste sie abwesend auf den Mund.
„ Morgen, mein Schatz. Hast du gut geschlafen?“
Bevor Viola
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