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Urod - Die Quelle (German Edition)

Urod - Die Quelle (German Edition)

Titel: Urod - Die Quelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Levine
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Nähe vom Camp. Dann los, bevor der Regen aufhört!“
     

     

    Lea hockte nackt und starr vor Angst in ihrem eigenen Erbrochenen auf dem harten Boden einer Höhle. Sie konnte kaum etwas erkennen in dem Halbdunkel, aber das schlimmste war, dass sie ihre Körperstellung nicht verändern konnte. Die Steinmulde erlaubte einzig und allein diese Position. Hin und wieder durchliefen Zuckungen ihren Körper wie innere Windböen. Sie kündeten davon, dass eine Veränderung in ihr vorging. Und jeder Versuch, sich dagegen zu wehren, war vollkommen zwecklos. Doch die Angst, die sie anfangs deswegen empfunden hatte, war verschwunden. Sie fühlte, dass sie stärker wurde, beweglicher. Eine neue Kraft war in ihr, die sich über ihre anderen Empfindungen legte wie ein schmieriger Film. Sie hatte vergessen, wie sie hieß und warum sie hier war. Ihre Haut fühlte sich rau und uneben an. Wie die einer ausgedorrten Mumie. Und ihr Gehör war extrem scharf geworden. Sie konnte jedes kleinste Geräusch hören, sogar das Schlagen ihres eigenen Herzens. Jedes Mal, wenn sie die anderen über sich drüber laufen hörte, presste sie das Gesicht tief zwischen ihre Knie und schloss die Augen. Sie schienen auf etwas zu warten. Was, konnte sie nicht sagen, aber sie spürte, dass die Veränderungen, die sie durchlief mit jeder Minute vollständiger wurde. Und der Hunger wurde immer unerträglicher. Alles in ihr schrie nach Fleisch. Unfassbar, hatte sie doch schon seit Jahren kein Fleisch mehr gegessen. Da! Wieder kamen sie, um nach ihr zu sehen. Sie kniff die Augen zusammen so fest sie konnte. Sie wollte ihren Anblick nicht noch einmal ertragen müssen. Das war das einzige, was ihr noch Furcht einflößte. Lieber wollte sie sterben.
     

     

     

    Der Regen hing wie ein grauer Schleier über dem Camp und ließ die Welt ausgewaschen und trostlos erscheinen. Enza musste mit Dragos Gesellschaft Vorlieb nehmen, der ihr wie ein düsterer Schatten auf Schritt und Tritt folgte. Es machte sie nervös, dass er hinter ihr herging, also blieb sie stehen und wartete, bis er sie überholt hatte. Drago marschierte mit schnellen Schritten an ihr vorbei und Enza musste einen Zahn zulegen, um sein Tempo beizubehalten, was ihr nicht leicht fiel. Sie hatte nicht genug geschlafen und war noch vom gestrigen Marsch erschöpft. Muskelkater plagte sie und die Gelenke taten ihr weh. Der unebene, sämige Boden und die Gerätschaften, die überall herum lagen, taten ihr Übriges. Außerdem machte ihr die Feuchtigkeit zu schaffen. Ihre Glieder fühlten sich dumpf an und sie fröstelte. Auch hatte sie den Eindruck, es sei ein paar Grad kälter als gestern. Aber vielleicht war das auch nur die Müdigkeit und Sorge um Lea. Obwohl sie bereits außer Puste war, wollte sie sich nicht die Blöße geben, Drago zu bitten, langsamer zu gehen. Es war nicht Enzas Art, derlei Schwächen zu zeigen.
    Aufmerksam suchten sie den Boden n?ch Hinweisen auf Leas Verbleib ab, doch der permanente Regen hatte alle Spuren beseitigt. Langsam näherten sie sich der Grenze des Camps, dahinter erhob sich der dichte Wald. Drago stoppte abrupt, sodass Enza in ihn hinein lief.
    „ Verdammt!“ entfuhr es ihr.
    „ Weiter gehen wir nicht. Nicht jetzt. Wir suchen noch auf den anderen Seiten und dann warten wir auf Miles.“
    „ Und was ist, wenn Lea wirklich in eine der Fallen geraten ist?“ versuchte Enza Drago umzustimmen.
    „ Wir können das nicht riskieren. Wir suchen da hinten und dann warten wir.“
    Drago drehte sich um und ging in die andere Richtung. Enza blickte zum Wald. Eigentlich war er wunderschön. Der viele Regen hatte dafür gesorgt, dass er in den verschiedensten Grüntönen schillerte. Üppig und schwer hing das Blattwerk der Laubbäume über ihren Köpfen wie ein natürlicher Baldachin. Und dennoch erzeugte er beim Betrachter nicht das Gefühl von Lebendigkeit. Kein Vogel sang, kein Insekt summte und das war nicht die Schuld des Regens. Der Wald schien, trotz seines fruchtbaren Aussehens, tot zu sein. Selbst das Rauschen der Baumkronen rief allenfalls ein dumpfes Echo hervor, das einen schaudern ließ. Enza kam immer wieder der Reaktorunfall in Tschernobyl in den Sinn. Sie konnte mit dieser Assoziation nichts anfangen, sie nicht einordnen und doch erschienen immer wieder die Bilder der radioaktiv verseuchten Gebiete in Weißrussland vor ihrem inneren Auge, in denen eine gespensterhafte Schönheit lag. Eine Schönheit, die falsch war und die sofort zu Staub zerfallen würde, wenn man

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