Urod - Die Quelle (German Edition)
entlang, die eine ganz andere Struktur aufwies als die Vorderseite. Über terrassenähnliche Formationen konnte man immer tiefer in den Fels hineingehen. Zielsicher führte Miles die Gruppe hinauf. Nach einer Weile erreichten sie eine sehr schmale Passage, durch die sie sich hindurchzwängen mussten. Enza, die direkt hinter Miles herging, drängte ihn zur Eile. Die Enge der Passage bereitete ihr Atemnot. Die Tatsache, dass ihre Ohren verstopft waren, intensivierte ihre klaustrophobe Beklemmung noch. Miles ließ sich von ihr jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er packte ihren Arm und hielt ihn fest, dabei deutet er nach vorne, wo Enza das Ende des engen Ganges erkennen konnte. Scheinbar mündete er in ein offenes Plateau. Miles signalisierte ihr, sie solle ihre Augen die ganze Zeit auf das Plateau gerichtet halten. Enza nickte. Es half ihr tatsächlich. Die Atemnot verschwand. Nach wenigen Minuten hatten sie das offene Plateau erreicht, das vom Fuße des Felsmassivs aus nicht zu sehen gewesen war.
Kapitel 6
Die Gruppe stolperte auf das freie Gelände zu. Die Stelle der unglücklichen Sprengung fiel sofort ins Auge. Dort zwischen dem Plateau und der Rückseite des Felsmassivs klaffte ein Spalt. Miles wies auf den Spalt und signalisierte: Das ist es! Er band die anderen los, um ihnen das Weiterkommen zu erleichtern. Vorsichtig näherten sich Enza, Viola und Thomas dem Spalt. Sebastian aber verharrte in der Nähe von Drago. Offensichtlich traute er ihm immer noch nicht.
Der Spalt gab den Blick frei auf einen Hohlraum, der sich unter dem Plateau befand. Im Halbdunkel konnten sie nur einen Hügel aus Steinbrocken erkennen, die sich entweder aufgrund der Sprengung gelöst hatten, oder die von Miles und Drago dort hinab geworfen worden waren. Thomas und Enza legten sich auf den Bauch, um besser in den Raum hineinsehen zu können. Viola berührte Thomas' Schulter. Sei bitte vorsichtig, schien diese Geste zu sagen. Thomas nickte stumm. Dann lugte er in den Raum hinein. Etwas lag unter den Steinen. Er und Enza reckten die Hälse und versuchten aus verschiedenen Blickwinkeln zu erspähen, um was es sich handelte, doch sie konnten es nur vage erkennen. Die erste Assoziation, die Thomas hatte war die mit einer Riesenmuschel. Zwei krustig wirkende, wellenartige Schalen waren leicht geöffnet und gaben den Blick auf das gallerte Innere jenes Dings frei, das in einem zarten Türkiston schimmerte und von innen heraus zu leuchten schien. Thomas konnte es nicht genau sehen, aber es schien in unregelmäßigen Abständen zu pulsieren, was in Thomas einen solchen Ekel auslöste, dass er sich unwillkürlich schüttelte. Und doch verspürte er das unbedingte Bedürfnis, die Quelle anzufassen. Gleichzeitig aber schreckte er davor zurück. Es waren allerdings nicht keine rationalen Gründe, die ihn davon abhielten, sondern vielmehr ein intuitives Alarmsignal, das schrillte und ihn davor warnen wollte, sich diesem ungewöhnlichen Etwas zu nähern. Als wisse sein Unterbewusstsein genau, dass eine existenzielle Gefahr davon ausging.
Später sollten sich Enza und Thomas einig sein, dass der Anblick ihnen sofort verraten hatte – dieses Ding stammte nicht aus unserer Welt. Warum, konnten sie beide nicht erklären, sie wussten einfach, es war so.
Thomas zuckte zusammen, als Sebastian ihn nach hinten zog. Er wollte ebenfalls einen Blick auf das Innere des Raumes werfen, aber Miles hielt ihn davon ab. Die Sonne ließ das Wachs ihrer Pfropfen schmelzen. Sie mussten sich beeilen und dann so schnell wie möglich auf den Rückweg machen. Dennoch schlich Sebastian sich zu dem Spalt und legte sich auf den Bauch, um einen Blick auf das seltsame Ding zu erhaschen. Sein T-Shirt war nach oben gerutscht und die von der Sonne erhitzen Felsen verbrannten ihm die nackte Haut, sodass er vor Schmerz aufstöhnte. Hastig war er wieder auf den Beinen und erntete von Drago einen abfälligen Blick. Miles wies nun auf einen Felsvorsprung, der direkt über dem Spalt hervorragte. Die anderen begriffen. Das musste der Vorsprung sein, von dem Miles gesprochen hatte und den er mit Drago bereits seit einer Weile untergrub. Wenn sie es schaffen würden, ihn vom Rest des Massivs abzusprengen, würde ein tonnenschweres Gewicht auf die Quelle des Geräusches krachen und sie für immer unter sich begraben und damit zum Schweigen bringen.
Die Männer begannen den Felsvorsprung zu untergraben. Der Fels war hart und die Hitze der Sonne jetzt mörderisch, auch wenn die Luft
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