Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
sich.«
Valentina zögert und nimmt widerwillig wieder Platz.
»Sind Sie wirklich deshalb gekommen?«, fragt Mrs. Steen. »Um uns Ihr Beileid auszusprechen? Das ist ein bisschen spät, Liebes, die Trauerfeier liegt schon über acht Monate zurück.«
»Nein«, gibt sie zu. »Ich wollte Sie kennenlernen. Ich wollte sehen, wo Thomas aufgewachsen ist.«
In ihrem Kopf dröhnen die Worte: Ich vermisse ihn, ich vermisse ihn, ich vermisse ihn.
Mrs. Steen schüttelt den Kopf.
»Ich habe ihm gesagt, er soll aufhören. Mir hat es nie gefallen, dass er diese Sachen für seinen Großvater macht. Ich habe meinen Mann gewarnt. Es war gefährlich, stimmt’s?«
Valentina krallt ihre Hände ineinander.
»Er hat mich gerettet«, flüstert sie. »Er ist meinetwegen gestorben.«
Mrs. Steen zieht besorgt die Brauen zusammen.
»Nein, Liebes, das dürfen Sie nicht denken.«
Sie beugt sich vor und tätschelt Valentinas Hand. Einen Augenblick schweigen beide. Sie blicken einander an. Beide denken dasselbe. Sie könnten jetzt eine Familie sein. Wenn doch nur Thomas hier bei ihnen sitzen und den Raum zwischen ihnen mit seinem Lachen und seiner Lebendigkeit füllen würde. Valentina spürt, wie sich ihre Brust zusammenschnürt, sie atmet flach. Sie hat das Gefühl, von ihrer eigenen Trauer und der von Mrs. Steen erdrückt zu werden. Sie muss hier weg. Sie kann es nicht ertragen, auch noch Thomas’ Vater zu begegnen. Sie blickt in Mrs. Steens klare blaue Augen, die so sehr denen ihres Sohnes gleichen.
»Ich muss gehen«, presst sie hervor. »Ich komme wieder«, fügt sie hinzu, ohne zu wissen, ob sie das wirklich tun wird.
»Sind Sie sicher? Können Sie nicht noch warten, bis Walter kommt?«
Valentina steht auf und schüttelt ihr die Hand. »Es tut mir leid, ich habe einen Geschäftstermin, ich muss los.«
»Thomas hat mir erzählt, dass Sie stark seien. Ich verstehe nun, was er meinte«, sagt Mrs. Steen und erhebt sich ebenfalls.
»Es ist schwer«, stößt Valentina hervor.
»Ja«, stimmt Mrs. Steen ihr zu, »aber es gibt einen Weg, damit fertigzuwerden. Sie werden ihn finden.«
»Haben Sie ihn gefunden?«, fragt Valentina. Doch anstatt zu antworten, berührt Mrs. Steen den Verlobungsring an Valentina Finger.
»Sie tragen ihn immer noch«, bemerkt sie mit ruhiger Stimme.
»Ja«, erwidert Valentina, sie weiß auch nicht, wie sie ihr das erklären soll.
»Mein Vater gab diesen Ring meiner Mutter«, sagt Mrs. Steen. »Und ich habe ihn Thomas gegeben, damit er ihn an Sie weitergibt.«
Valentina steigt die Schamesröte ins Gesicht. Sie versucht, den Ring von ihrem Finger zu zerren.
»Verzeihen Sie, ich hätte Ihnen den Ring zurück…«
Doch Mrs. Steen legt ihre Hand auf Valentinas.
»Bitte, behalten Sie ihn. Ich weiß, wie viel Sie Thomas bedeutet haben. Er war unser einziges Kind … wir wollen, dass Sie ihn haben.«
»Ich kann nicht … ich …«, stammelt Valentina verlegen angesichts so viel Großzügigkeit.
»Ich bitte Sie, Valentina«, sagt Mrs. Steen. »Es ist mir eine Freude, ihn an Ihrer Hand zu sehen. Es erinnert mich daran, wie glücklich Sie meinen Sohn gemacht haben.«
Valentina kann nicht ablehnen. »Danke schön«, flüstert sie.
»Sie kommen doch wieder, oder?«, fragt Mrs. Steen mit hoffnungsvollem Blick.
»Ja«, sagt Valentina. Sie ist sich aber immer noch nicht sicher, ob das stimmt.
Valentina eilt durch die Orange Street zurück. Ihr Körper schreit vor Sehnsucht nach Thomas, ihr Herz verkrampft sich vor Kummer und ihr Kopf ist so angefüllt mit Bildern aus ihrer Erinnerung, dass sie das Gefühl hat, blind zu sein. Sie hat die Orientierung verloren, stößt gegen andere Leute und stolpert über das Pflaster. Die Vorstellung, in die volle U-Bahn zu steigen, scheint ihr unerträglich, und so überquert sie die Brooklyn Bridge. Auf der Brücke ist die Frische des Frühlingstags noch deutlicher zu spüren, ein scharfer Wind umweht sie. Valentina eilt jedoch weiter, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Orange Street zu bringen. Auf halber Strecke bleibt sie stehen. Sie könnte jetzt einfach Schluss machen, wie sie es schon beinahe auf Capri getan hatte. Einfach auf das Brückengeländer klettern und wie ein Vogel in den blauen Himmel springen, nur dass sie stattdessen im grauen Wasser versinken würde. Genau wie Thomas. Würde sie ihn dort unten wiedertreffen?
Valentina umklammert ihre zitternden Hände, dreht immer wieder den Ring an ihrem Finger und erinnert sich an den Augenblick,
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