Valentina 3 - Geheimnisvolle Verführung: Roman (German Edition)
zu Boden, der mit einem lauten Klirren zerbricht.
»Oh, das tut mir leid … Ich …« Sie versucht, die Scherben aufzusammeln, während sie zugleich nach ihrer Tasche greift und ein Bündel Dollarscheine auf den Tisch wirft. »Es tut mir sehr leid«, sagt sie noch einmal und rennt an dem verblüfften Kellner vorbei.
Als sie die Eingangshalle erreicht, ist der Mann nicht mehr da. Valentina läuft hinaus und blickt die Straße hinauf und hinunter, doch er ist nirgends zu sehen. Sie läuft in Richtung Madison Avenue, schlängelt sich durch die Menge und betet, dass er in dieselbe Richtung gegangen ist, aber er ist einfach verschwunden. Doch Valentina muss ihm in die Augen sehen, sie muss sich davon überzeugen, dass er nicht derjenige ist, der ihre große Liebe getötet hat. Sie macht kehrt und läuft in die andere Richtung zurück, wieder an der Galerie vorbei, aber der Kerl in Baseballkappe und Jeans ist nicht mehr da. Valentina sagt sich, dass es nicht Glen gewesen sein kann. Das ist unmöglich, denn wie sollte er in der Blauen Grotte überlebt haben, und Thomas nicht? Das letzte Mal, als sie Glen gesehen hat, war er selbst halbtot gewesen und hatte mit rot unterlaufenen Augen japsend auf dem Boden des Bootes gelegen. Er war nicht stark genug, um Thomas zu töten, und doch hatte dieser Mann genau wie Glen ausgesehen. Valentinas Gedanken rasen, ihr Herz klopft wie wild. Was soll sie tun?
Sie ist vollkommen aufgewühlt und kann sich gerade noch beherrschen, sich nicht auf den Boden zu werfen und vor Verzweiflung mit den Fäusten auf das Pflaster zu trommeln. Wütend schüttelt sich Valentina. Sie muss aufhören an den Tag in der Blauen Grotte zu denken. Sie muss weiterleben. Das hätte auch Thomas gewollt. Während sie die Tränen zurückdrängt, langsam die Straße überquert und in den Central Park geht, trifft Valentina eine Entscheidung. Sie bleibt neben einem rosa blühenden Baum stehen und schiebt die Finger zwischen die zarten Blütenblätter, die wie samtenes Moos die Zweige bedecken. Es ist ein beruhigendes Gefühl. Sie mag diesen Baum und das, wofür er steht: Frühling. Wiedergeburt. Ein neuer Anfang.
Sie wird die alte Valentina für immer verbannen. Sie muss ihre Liebe zu Thomas verdrängen, sonst hat sie keine Chance.
Tina
»Oh, nein«, murmelt Lottie, als sie mit Tina die Bar betritt. »Der Oberfiesling ist bei ihr.«
»Der Oberfiesling?«, flüstert Tina und fühlt sich etwas befangen, weil fast jeder in der Bar sie anstarrt.
»Sabines Freund, Rudolf«, erklärt Lottie. »Er mag mich nicht.«
Das beruht offenbar auf Gegenseitigkeit. Kaum sitzen sie am Tisch, schweigt Lottie wie ein launischer Teenager, während Rudolf mit empörtem Blick ihre Punkeraufmachung mustert.
»Willst du auf eine Faschingsparty, Lottie?«, fragt er.
Auf Tina wirkt er allerdings ganz freundlich. Er hat eine frische Gesichtsfarbe und sieht aus, als wäre er auf dem Land aufgewachsen, als gehöre er eigentlich nicht in die Großstadt. Er schüttelt Tina die Hand, und sein Griff ist warm und fest.
»Es freut mich, Sie kennenzulernen«, grüßt er förmlich auf Englisch. »Sabine hat mir von Ihrem Besuch in der Stadt erzählt. Ich hoffe, Sie haben gute Fotos gemacht.«
»Keine Sorge, Rudolf, sie war bei allen Sehenswürdigkeiten. Ihre Kamera ist voll mit Bildern«, bemerkt Lottie.
Rudolf lächelt, als sei ihm Lotties bissige Art peinlich.
»Hattest du einen schönen Tag in Ostberlin?«, fragt Sabine ein wenig nervös. Ganz offensichtlich sind ihr die Spannungen zwischen ihrer Cousine und ihrem Freund unangenehm.
»Ja, sehr schön, danke. Es war faszinierend.«
»Nun, der Tag ist noch nicht vorbei. Warte, bis du Karel Slavik auf seinem Cello gehört hast.«
»Er ist einer der besten Musiker von ganz Deutschland«, meint Rudolf begeistert. »Heute spielt er Schostakowitschs Sonate für Cello und Klavier, aber auch eigene Kompositionen. Slaviks Musik drückt aus, wofür unser Land steht: echte Brüderlichkeit.«
Tina spürt, wie Lottie sich neben ihr anspannt, und hofft, dass sie auf eine sarkastische Antwort verzichtet. Die Bemerkung fordert zwar richtiggehend dazu heraus, aber Tina merkt, wie nervös Sabine ist. Der junge Mann wirkt wie ein Ausbund an Freundlichkeit und Güte, aber wer weiß, wie er wirklich ist. Die Ausstattung seiner Wohnung lässt erahnen, in welchen Sphären er sich bewegt. Offenbar ist Lottie ein ähnlicher Gedanke gekommen, denn sie reißt sich zusammen.
»Ich kann es kaum erwarten, ihn
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