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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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ich aufbieten kann. Mögen Sie ein langes, glückliches Leben haben – anders als meine arme verstorbene Verlobte. Das schönste Mädchen, dem ich je begegnet bin. Ach, ihr Lächeln, wenn ich ihr Orangen gebracht habe!«
    Die junge Frau sah ihn an.
    »Ich mag Orangen.«
    Der Schornsteinfeger legte die andere Hand auf ihre Hüf te , schüttelte den Kopf und zog sie näher.
    »Nein! Das ist zu viel. Hören Sie, hören Sie auf«, schluchzte er. »Sagen Sie nichts. Führen Sie mich nicht in Versuchung. Ich bin kein Heiliger. Ich bin schrecklich.«
    Die Bürgermeisterfrau zog ihn an ihre Brust. »Oh, das dürfen Sie nicht. Ganz ruhig, glauben Sie mir, sie ist jetzt in einer besseren Welt.«
    Er starrte schniefend in ihre offene Bluse. Was für eine Frau, dachte er und machte sich los.
    »Sie haben recht, und ich muss jetzt weg«, sagte er mit einer Kopfbewegung zu dem Spektakel draußen. »Aber vergessen Sie Ihre Verabredung nicht. Danach sehen Sie sicher klarer.«
***
     
    Vor dem Haus des Bürgermeisters verlangten die Frauen lauthals nach ihm. Sie standen Schlange. Der Schornsteinfeger ließ die verblüffte Bürgermeisterfrau stehen und gingnach draußen, allein und unbesiegbar. Die Frauen umringten und betatschten ihn, streichelten die Revers seiner Lederjacke, und jede bat ihn, als Nächstes zu ihr nach Hause zu kommen. Er schob sie wütend fort, schritt über die hinweg, die hingefallen waren, und ging ins nächste Haus am Weg. Er hatte vor, sich von Straße zu Straße durch die Häu ser zu arbeiten.
    Überall baten ihn die Frauen, Platz zu nehmen und es sich bequem zu machen. Sie brachten ihm Süßigkeiten und frischgebackene Plätzchen. Der Schornsteinfeger aß, so viel er konnte. Wenn er satt war, nahm er händeweise Palatschinken und Plätzchen und stopfte sie in seine Tasche. Die einfältigen Ehemänner wussten, dass er ihnen die Haare vom Kopf aß, sie schritten aber nicht ein, weil sie hofften, das kleine Opfer würde ihren Frauen zeigen, dass sie keine Spielverderber waren. Diese Männer litten still, merkten sich aber jedes Detail an diesem schroffen, übel riechenden kleinen Mann, der ihnen den Weinbrand wegtrank. Sie malten sich aus, wie sie ihn gegen die Wand klatschten und durch die Fensterscheiben schleuderten.
    Zur Verteidigung des Schornsteinfegers sei gesagt, dass die Frauen stolz auf ihre Plätzchen waren und sie ihm geradezu aufdrängten. Alle behaupteten, sie hätten ein besonderes Familienrezept, das anders sei als alle anderen, und dass er sonst nirgends solche Plätzchen bekäme. Sie seien so verschieden wie Schneeflocken.
    »Pah«, sagte er zwinkernd. »Das sagen alle Frauen, das hab ich immer wieder zu hören bekommen.« Trotzdem trank er den Weinbrand, den sie ihm einschenkten, warf sich die Plätzchen in den Mund, verzog das Gesicht und sagte: »Hab schon bessere gegessen.«
    Dann fing er an, sich zu beschweren. Die Plätzchen seien entweder zu süß oder zu salzig. Sie mochten zwar frisch sein, schmeckten aber verschimmelt. Dann würgte er absichtlich,bis er noch ein Glas Weinbrand eingeschenkt bekam, mit dem er sie hinunterspülen konnte. Wenn auf den Plätzchen gebackener Käse war, rief er, der Käse sei ranzig.
    »Wollt Ihr mich vergiften? So was gibt man ja nicht mal den Säuen!«
    Die Frauen lächelten zaghaft und streichelten seine Schultern, während er gegen sie wetterte. Weder der Ruß auf ihrem Sofa noch die Beleidigungen machten ihnen etwas aus. Die Weiseren von denen, die draußen standen, gaben zu bedenken: »Das Glück kommt selten genug zur Tür hereinspaziert. Ist es da nicht egal, wenn es schmutzige Schuhe trägt?«
    Nach jedem Mahl ging der Schornsteinfeger mit lautem Gepolter zu ihren Kaminen. Mit seiner ausziehbaren Kaminbürste stieß er absichtlich gegen Vasen und Bilder. Er konnte die vielen zerschmetterten Krüge schon nicht mehr zählen. Doch alle Eheleute nahmen hin, dass er ihr Eigentum böswillig zerstörte.
    »Idioten«, fluchte er leise.
    Im Kamin trat er immer um sich und hustete, so laut er konnte. Er fluchte, pfiff, furzte – tat alles, um seine Verachtung zum Ausdruck zu bringen. Die Frauen konnten gar nicht genug bekommen und waren außer sich. Auch ihre Männer lachten gutmütig und furzten anerkennend. Die Häuser waren bald voller Ruß, Flatulenzfallen, in denen überall Glassplitter lagen und auf nackte Füße warteten.
    Er verdiente ein Vermögen. Zehntausend Forint pro Schornstein und er wurde von Haus zu Haus weitergereicht. Man feierte ihn wie

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