Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)
weißt du. O ja, ein echter Casanova. Sie denken, ich hätte kein Schamgefühl, weil ich dich so spät abends besuche. Dafür erwarte ich zumindest ein Lächeln von dir.«
»Es tut mir leid, Ibolya«, rief der Töpfer.
»Das klingt schon besser! Er entschuldigte sich – ein gutes Zeichen. Ibolya schüttelte den Kopf und winkte ab. Sie ließ alle Vorsicht außer Acht und blickte sich in der Werkstatt um. Sie war genauso verwahrlost wie der Töpfer. In einer Ecke lagen Brotrinden und ein Farbeimer war voll mit Kaffeesatz und Orangenschalen.
»Du siehst schrecklich aus«, sagte sie. »Was um alles in der Welt ist los mit dir? Warum ist es hier so schmutzig? Was machst du hier eigentlich?«
»Ich hatte zu tun. Ich hab gearbeitet.«
»Das sagt mir der Bürgermeister auch dauernd, und dein Lehrling redet von nichts anderem.« Ibolya erspähte die verpatzten Rüben und Figuren, die überall herumstanden. Sie sah sich kurz um und versuchte, sich zu orientieren, Halt zu finden. »Genauer gesagt hat er uns eine ganze Menge erzählt. Es gab Streit in der Kneipe.«
Der Töpfer wirkte besorgt.
»Was? Ist alles in Ordnung?«
Ibolya legte ihm die Hand auf die Schulter. »Alles bestens.Er hat ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie hat eingewilligt. Es war sehr romantisch. Ich glaube, sie sind füreinander geschaffen. Liebe Kinder.«
Der Töpfer nickte.
»Er hat mir auch gesagt, dass du in den Ruhestand trittst«, fuhr Ibolya fort. »Das finde ich fabelhaft.«
»Ja«, sagte der Töpfer.
Ibolya trat an einen Tisch und sah sich die Rübenmodelle an.
»Außerdem hat er gesagt, du machst deiner Dame ganz viele … Terrakotta-Äpfel.«
»Keine Äpfel«, seufzte der Töpfer.
»Was dann? Tomaten?«
»Nein.«
Seine Wortkargheit ging ihr auf die Nerven. Er schien nicht besonders glücklich über ihren Besuch. Sie brachte sich in eine peinliche Lage, so als sei sie irgendeine dumme Kuh, die sich an ihn klammerte und nicht merkte, dass der Mann, dem sie nachstellte, einfach nicht an ihr interessiert war.
»Na, ist mir eigentlich auch egal!«, rief Ibolya plötzlich und ging auf ihn zu. Sie konnte nicht anders. Es verschaffte ihr ein besseres Gefühl. »Ich will nur, dass du die Dinger nicht mehr machst. Ich will, dass du die Frau vergisst. Kannst du das – mir zuliebe?«
Sie drückte sich an ihn. Sie streichelte sein Gesicht. Sie strich ihm mit den Handflächen über seine Wangenknochen. Der Töpfer neigte den Kopf nach hinten, als wollte er ihrem Mund ausweichen und sie besser sehen.
»Warum?«, fragte er.
Ibolya erinnerte sich, was der Schornsteinfeger ihr über seine Gefühle zu Valeria gesagt hatte. Ihre Hände fühlten sich wie Stein an. Aber sie ließ sie trotzdem auf dem Gesicht des Töpfers liegen. Sie würde nicht die Verliererinsein. Es ging darum, wer von ihnen den stärkeren Willen hatte. Um nicht mehr und nicht weniger.
»Hast du dich bei deiner Frau auch so dumm benommen?«, fragte sie. »Ich kann für dich sorgen, weißt du. Wir können zusammen ein Heim schaffen. Wir sind wie für einander geschaffen. Ich denke, unsere Beziehung sollte ausschließlicher werden.«
Der Töpfer nickte.
»Du dummer Mann, ich hab dich vermisst.«
Der Töpfer runzelte die Stirn.
»Schon, aber wieso?«, sagte er.
Ibolya schlang ihm die Arme um den Hals und umarmte ihn. Sie vergrub ihren Kopf in seiner Brust. Er umarmte sie ebenfalls, aber nicht wie ein Liebhaber, sondern eher wie ein lieber alter Freund, der Nachsicht mit ihr hatte.
Er küsste sie auf die Stirn. Dafür hätte sie ihn umbringen können.
»Warum verschwendest du deine Zeit mit ihr?«
»Ich kann nicht anders. Sie inspiriert mich. Ich liebe sie.«
Nun war es heraus. Einfach so. Wie man es auch drehte und wendete, die Wahrheit ließ sich nicht wegdiskutieren. Kaum hatte der Töpfer diese Worte gesprochen, fühlte er eine große Last von sich fallen. Er konnte wieder frei atmen. Das Leben war im Grunde ganz einfach.
Ibolya runzelte die Stirn. Valeria hatte keinerlei Charme, mit dem sie einen Mann hätte verführen können. Doch irgendwie war die alte Frau, die jeder, der noch ganz bei Sinnen war, nur für eine alte Vettel halten würde, für ein dummes Huhn, diese Frau war in Wirklichkeit eine Schlange, die in einem unbeobachteten Augenblick Ibolya hinterlistig den Liebhaber weggeschnappt hatte, sodass Ibolya auf einmal diejenige war, die dumm dastand.
Ibolya miaute nicht gern, aber sie wollte das Ganze verstehen. Sie bat ihn immer wieder, sich zu
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