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Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition)

Titel: Valerias letztes Gefecht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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erklären. Sie versuchteunaufhörlich zu verhandeln. Der Töpfer antwortete ihr, so gut er konnte, merkte dann jedoch, dass das Gespräch nie an ein Ende kommen würde. Er schüttelte den Kopf.
    »Ibolya, du warst nett zu mir. Ich hab dich sehr gern. Aber die Wahrheit ist, dass du mich nicht inspirierst. Du hast mich noch nie inspiriert. Du hast mir nie das Gefühl gegeben, dass ich über mich hinauswachsen kann. Du hast mir nie das Gefühl gegeben, dass ich zu etwas Größerem imstande bin.«
    Ibolya deutete auf die Keramiksachen ringsum. »Das sind nur Teller. Du machst doch nur Untertassen.«
    Der Töpfer wich zurück und ging an seine Werkbank.
    »Und deshalb, aus genau diesem Grund«, sagte er, »liebe ich dich nicht. Für dich werden es immer nur Teller bleiben. Aber Valeria findet sie schön. Ihr gefällt sehr, dass ich sie mache. Sie glaubt an ihren Wert. Magda war genauso. Sie hat sie hoch geschätzt. Ich habe mich von ihr geschätzt gefühlt, trotz ihrer Krankheit. Und deshalb inspiriert mich Valeria.«
    Ibolya bekam einen roten Kopf. Ein Lockenbüschel tanzte wutbebend auf und ab, doch Ibolya war müde, und die Locken fielen ihr schlaff über die Wange. Besiegt. Sie steckte sie hinters Ohr.
    »Ich wüsste mal gern, was eine Frau davon hat«, sagte Ibolya. »Was hatte Magda davon? Was hat Valeria davon? Was hab ich davon? Und alle anderen Frauen? Damit sie einen Mann hat? Ist das alles? Ist das der Gewinn? Nicht gerade ein toller Gewinn, mein Herr.« Sie zeigte auf eine der verpatzten Rüben. »Das ist nur Ton. Ich bin echt. Ich bin ein Mensch und habe ein Herz. Was ist mit dir, du Scheißkerl? Hast du ein Herz?«
    »Natürlich«, antwortete der Töpfer. »Dich hab ich sehr gern.«
    Ibolya schüttelte den Kopf und lachte. Sie deutete auf die Rüben. »Die sehen aus wie Brüste! Warum sitzt du hier und machst Brüste aus Ton, wo ich dich mit Freuden meine Brüste drücken lassen würde?« Sie stieß einen Laut aus. Es war kein Schrei, auch kein Stöhnen, sondern Frustration. »Ich finde das ausgesprochen widerwärtig.«
    Sie nahm schnell eine Rübe von der Werkbank und schmetterte sie auf den Boden.
    »Ich lasse nicht zu, dass du mir deswegen keine Beachtung schenkst! Ich lass es einfach nicht zu.« Sie fuhr mit dem Arm über den Tisch, sodass alles herunterfiel. Danach fühlte sie sich besser. Sie lachte sogar.
    »Bitte sehr. Inspiriert dich das?«, fragte sie. Sie forderte ihn heraus.
    Das Gesicht des Töpfers bebte. Er sah auf die Keramikscherben am Boden. Seine Hand schnellte hervor und zeigte darauf.
    Beide schwiegen einen Augenblick.
    »Ibolya«, sagte er schließlich, mehr zu seiner eigenen Beschwichtigung, sonst hätte er sie womöglich einfach hochgehoben und in hohem Bogen hinausgeworfen. »Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich für diese Tonscherben entscheiden. Jedes Tonstückchen, jede dieser Scherben bedeutet mir mehr, als du mir je bedeuten könntest. Das wirst du nicht verstehen, das kannst du gar nicht verstehen. Valeria schon. Sie versteht es ganz genau, und deshalb bin ich ihr treu ergeben. Wir müssen einander wirklich nichts erklären. Nimm das bitte zur Kenntnis und lass mich in Ruhe.«
    Ibolya wich zurück. Sie sperrte den Mund auf und fasste sich an die Wange. Sie fühlte sich heiß an, als sei sie gerade geohrfeigt worden. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und das setzte ihr noch mehr zu. Sie wandte sich ab und verließ wortlos die Werkstatt, in der Hoffnung, dass ihre zitterndenBeine sie nicht im Stich ließen. Sich die Wange haltend ging sie zurück in ihre Kneipe.
    »Dieser Scheißkerl«, flüsterte sie immer wieder vor sich hin. »Ich kann’s nicht fassen.«
    Auf dem ganzen Weg den Hügel hinunter wiederholte sie diese vier Worte ununterbrochen. Als sie die Kneipe betrat, sagte sie sie immer noch. Selbst als sie wieder hinter dem Tresen stand, hörte sie nicht auf, sie zu murmeln. Ihre Stammgäste schauten sie an, sahen, dass sie leise Selbstgespräche führte, und obwohl sie nicht verstanden, was sie sagte, wussten sie doch, was ihr Gesichtsausdruck bedeutete, und hielten den Mund.
    Gleich danach kam der Schornsteinfeger zurück. Er sah noch wütender aus als sie. Er sah, dass sie sich die Backe hielt und Selbstgespräche führte, und auch er verstand, was los war. Er verstand es sofort. Sie brauchte nichts zu erklären. Er verstand es tatsächlich so gut, dass er sich die Bierflasche schnappte, die immer noch auf dem Boden lag, da, wo er den Töpfer angegriffen hatte.

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