Valhalla: Thriller (German Edition)
dazwischenzukommen. Es tat weh, zu sehen, wie gut er sich mit Ilka verstand. Sie hatte einen guten Instinkt für Menschen und sie fühlte, dass Ilka immer noch etwas für John empfand.
Unten bei den Schlitten brannte Licht. Arkadij hatte eine Gaslaterne entzündet und schenkte gerade heiße Suppe aus.
»Was hältst du von unserem Führer?«, fragte Ilka, während sie den Hang hinunterrutschten. »Anfangs hatte ich so meine Zweifel, aber inzwischen habe ich ein anderes Bild von ihm. Ich glaube, er weiß, was er tut, und im Umgang mit seinen Hunden ist er richtig liebevoll. Ich glaube ihm, wenn er sagt, dass er etwas Unheimliches gesehen hat.«
Hannah überlegte eine Weile, dann sagte sie: »Es stimmt schon, er ist heute so ganz anders als gestern. Trotzdem nehme ich ihm die Sache mit dem Ungeheuer nicht ab. Es muss einen anderen Grund für das geben, was er gesehen hat, einen harmloseren. Vielleicht aber auch einen schwerwiegenderen.«
»Wie meinst du das?«
Hannah überlegte, wie sie es am besten sagen sollte. Sie wollte nicht paranoid rüberkommen, schon gar nicht vor Ilka, aber eine Sache ließ ihr doch keine Ruhe. Sie bereitete ihr viel Kopfzerbrechen, und sie hatten darüber noch gar nicht gesprochen.
»Die Station wird jetzt von Russen geleitet, oder?«
»Und?«
»Arkadij ist ebenfalls Russe.«
32
Longyearbyen …
E s ging bereits auf 16 Uhr zu, als Edda das Kaufhaus verließ und mit wohlgefüllten Einkaufstaschen zu ihrer Pension zurückging. Das
Lompensenteret
war nicht nur der einzige Supermarkt am Ort, es war Café, Kiosk und Treckingstore in einem und verfügte darüber hinaus seit kurzem über eine Eismaschine. Unfassbar eigentlich, dass jemand in dieser Umgebung überhaupt auf den Gedanken kam, er könne mit Eis Geld verdienen, aber das Geschäft lief überraschend gut. Die Touristen kauften das Zeug eimerweise, und auch Edda konnte sich nicht von einer gewissen Sucht freisprechen. Dabei sollte sie dringend damit aufhören und lieber an ihrer Figur arbeiten, weswegen sie das Auto auch hatte stehen lassen und den knappen Kilometer zu Fuß ging.
Heute Abend würde sie ihren Gästen überbackenen Lachs mit Kartoffelgratin vorsetzen. Nicht unbedingt eine Diät, aber ein Gericht, das schnell gekocht war und das sich großer Beliebtheit erfreute.
Auf ihrem Weg nach Hause kam es immer wieder vor, dass sie einem bekannten Gesicht begegnete. Die meisten winkten ihr über die Lenkräder ihrer Autos hinweg zu, manche gaben auch einfach Lichthupe. Alle kannten und mochten Edda. Sie wohnte seit knapp zwanzig Jahren hier und gehörte mittlerweile zu den sogenannten Alteingesessenen. Sie verpasste kaum eine Ratsversammlung und half mit, wo immer sie gebraucht wurde, wie in der Kirchengemeinde oder bei Ortsfesten. In einem Ort wie diesem, wo jeder jeden kannte, war es wichtig, dass man sich nicht abgrenzte; die Leute hielten einen sonst schnell für sonderbar. So wie diesen Arkadij. Edda kannte ihn schon seit Urzeiten, war aber nie richtig an ihn herangekommen. Es hieß, er sei früher verheiratet gewesen, seine Frau wäre aber gestorben, und er hatte anschließend hier Zuflucht gesucht. Eigentlich ein ganz netter Kerl, wäre er nur nicht so ein Einsiedler. Und jetzt diese Geschichte mit dem Ungeheuer. Vielleicht nur ein verzweifelter Versuch, Aufmerksamkeit zu ergattern? Ein Hilfeschrei? Sie beschloss, ihn mal zum Essen einzuladen. Aber halt, er war ja gerade gar nicht da. Es hieß, er sei aufgebrochen, zusammen mit ein paar Touristen. Gertrud vom
Lompensenteret
hatte das heute Morgen erwähnt, und zwar, als sie ihr die vier Brote eingepackt hatte. Na, dann eben, wenn er zurückkam.
Sie war so vertieft in ihre Gedanken, dass sie den schwarzen Van, der an ihr vorbeifuhr, erst bemerkte, als die feuerroten Bremslichter aufleuchteten und er etwa zehn Meter vor ihr am Straßenrand anhielt. Niemand stieg ein, niemand aus. Edda ging weiter, konnte aber nichts erkennen. Vielleicht Sören Gustafsson, der sie mitnehmen wollte. Das Fabrikat stimmte jedenfalls, nicht aber das Kennzeichen. Dies war ein Mietwagen von Sixt, unschwer zu erkennen an dem schwarz-gelben Aufkleber. In diesem Moment ging die Schiebetür auf, und ein Mann stieg aus. Er hatte eine Karte in der Hand. »Entschuldigen Sie, können Sie uns kurz helfen?«, rief er ihr zu und tippte dabei auf den Plan. »Wir suchen die Fischereibehörde.«
Edda blieb stehen und stellte die Einkaufstaschen auf die Erde. »Da sind Sie hier aber völlig falsch«,
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