Valhalla: Thriller (German Edition)
sogenannten
Mutterkuchen
«, ergänzte Hansen. »Nachdem sich die befruchtete Eizelle in der Uteruswand eingenistet hat, wird sie über das mütterliche Blut versorgt. Bei diesem Vorgang prallen zwangsläufig auch die beiden Immunsysteme aufeinander. Die Plazentazellen sind jedoch in der Lage, dem chemischen Waffenarsenal angreifender Killerzellen aus dem mütterlichen Abwehrsystem zu widerstehen. Sie bringen es fertig, jeden attackierenden Antikörper unschädlich zu machen und gleichzeitig den Fötus mit Blut und Nährstoffen zu versorgen. Sollte doch noch ein vereinzelter Killer die Außenseite der Plazenta durchdringen, so gelangt er innen in eine Art neutrale Zone, die keinerlei lohnende Angriffsflächen für ihn bietet. Er wird unverrichteter Dinge wieder dahin zurückkehren, wo er herkam.«
»Es gibt noch eine Barriere, die das Kind schützt«, sagte Christensen. »Die sogenannten
Suppressorzellen
, die sich in hoher Konzentration im fötalen Blut befinden. Sie hemmen die Bildung von Killerzellen und schalten die Immunreaktion ab.«
Hannah runzelte die Stirn. »Und was hat das alles mit mir zu tun?«
»Dazu kommen wir gleich. Sie müssen verstehen, dass wir uns auf einem ungeheuer komplexen Terrain befinden. Vom Standpunkt der Immunologen aus ist es immer noch ein Rätsel, wie das alles funktioniert. Und es ist beileibe noch nicht alles hinreichend erforscht. Um zu erklären, warum Sie überlebt haben, müssen wir an die Grenzen dessen gehen, was wir zu wissen glauben. Wie kann es zum Beispiel sein, dass die Plazenta manche Krankheitskeime ausfiltert und manche hindurchlässt? Humane Immundefizienz-Viren, kurz HIV , beispielsweise werden ausgefiltert. Die Erreger der Toxoplasmose nicht. Gegen manche Krankheiten kann ein Kind im Mutterleib immun werden, bei anderen erkrankt es so schwer, dass es stirbt. Wir kennen die Ursachen für diese Unterschiede nicht, dazu ist die Forschung noch nicht weit genug fortgeschritten.«
»Ich habe aber mal gelesen, dass Kinder sich im Mutterleib mit Aids anstecken können …«, sagte Hannah.
Christensen schüttelte den Kopf. »Nicht im Mutterleib. Erst während des Geburtsvorgangs, wenn es zu Mikroverletzungen und zu einem direkten Kontakt mit Fremdblut kommt. Das ist auch der Grund, warum man bei HIV -infizierten Müttern einen Kaiserschnitt macht. Aber das führt uns ein wenig vom Thema weg. Fest steht: Der mütterliche Organismus schützt und ernährt das Kind. Er bietet ihm die bestmögliche Umgebung für die gefährlichen ersten Wochen und Monate.
Aber auch die Mutter hat etwas davon. Wussten Sie zum Beispiel, dass Schwangerschaften bei Müttern Gelenkrheuma und Krebs lindern oder sogar heilen können? Glauben Sie nicht? Doch, es ist so. Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass Mütter seltener an Brustkrebs erkranken als Frauen, die nie ein Kind geboren haben. Und hier kommen wir zu dem eingangs erwähnten Phänomen, dem Mikrochimärismus. Es ist ein Vorgang, bei dem die Stammzellen des Fötus während der Schwangerschaft die Plazenta durchqueren, in den mütterlichen Blutkreislauf eindringen und sich dauerhaft im Körper der Mutter einnisten.«
»Sie meinen, sie bleiben dort?«
Hansen nickte. »Über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte hinweg. Und nicht nur das, sie werden dort sogar recht aktiv. Sie leben, arbeiten und verrichten Tätigkeiten, als wären sie ein Teil des mütterlichen Organismus. Doch das sind sie nicht. Es sind fremde Zellen in perfekter Verkleidung – deshalb bezeichnet man sie auch als Chimären. Und diese Chimären greifen Krebszellen an.«
»Warum kann mein eigener Körper das nicht?«
Hansen schüttelte den Kopf. »Weil Ihr Körper diese entarteten Zellen nicht als Bedrohung erkennt. Schließlich sind es körpereigene Zellen, was sollte also mit ihnen nicht in Ordnung sein?«
»Aber sie sind doch entartet, wie Sie sagten.«
»Ja, aber Ihr Körper erkennt den Fehler nicht, das ist ja das perfide am Krebs. Die kleinen Chimären erkennen das Problem und kämpfen dagegen an. Da sie dem mütterlichen Organismus fremd sind, können sie entartete Körperzellen viel effizienter angreifen. Sie erkennen, dass dort eine tödliche Kraft am Werk ist, und bekämpfen sie. Verstehen Sie, worauf ich hinaus will?«
»Nicht ganz. Immerhin reden wir doch hier nicht von Krebszellen, sondern von Viren. Soweit ich weiß, sind Viren doch im eigentlichen Sinn keine Zellen, oder?«
»Das ist richtig. Viren bestehen nur aus Erbmaterial, das von einer
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