Valhalla: Thriller (German Edition)
so vielen Jahren Weggefährten, dass Viktor schon fast vergessen hatte, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
»He, du da, Kleine.« Der Polizist hielt immer noch seine Pistole in der Hand, und das, obwohl der andere ihm befohlen hatte, sie wegzustecken. »Zeig mir mal deinen Ausweis.«
Nervensäge. Viktor hasste solche Typen. Es gab Kerle, die gingen zur Miliz, weil sie etwas Gutes bewirken wollten; den Armen helfen, die Schwachen verteidigen und so. Und es gab Kerle, die nie etwas zu melden gehabt hatten und die jetzt loszogen, um unbescholtene Bürger zu schikanieren. Dieser hier war Typ zwei.
»Ausweis her, habe ich gesagt.«
Alyosha wollte schon nach ihrer Handtasche greifen, blickte Viktor jedoch vorher fragend an.
Er schüttelte den Kopf und gab Zeichen, sie solle ihn stecken lassen. Lächelnd beugte er sich aus dem Auto.
»Du brauchst ihren Ausweis nicht zu sehen.«
»Was?«
Viktor grinste.
Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht
. Er hätte jetzt prima das Star-Wars-Zitat bringen können, doch er bezweifelte, dass der Idiot die Anspielung verstehen würde.
»Ich sagte, du sollst dich verpfeifen, du blöder Arsch. Und nimm endlich deine Kanone runter, oder willst du, dass ich meine ziehe?«
Dem Jungen gingen langsam die Nerven durch, Viktor konnte es sehen. Es begann immer in den Augen und endete meist beim Finger am Abzug. Der Lauf zitterte ein wenig. Zum Glück kam in diesem Moment der Ältere wieder zurück.
»Gregori, was machst du denn da? Waffe runter, habe ich gesagt.«
»Er … er …«
»Alles in Ordnung mit Ihren Papieren. Wünsche gute Weiterfahrt. Und einen schönen Tag noch.« Er salutierte.
»Ihnen auch.« Viktor steckte den Ausweis ein, drehte die Scheibe wieder hoch und trat aufs Gaspedal. Der Vanquish schoss davon und ließ die beiden Milizen hinter sich zurück.
»Sorry für die Unannehmlichkeiten«, wandte er sich an Alyosha. »Unser Frühstück muss leider ausfallen. Ich werde dich da vorne an der
Leninskiy
rauslassen. Von da aus kommst du mit dem Bus ganz schnell wieder zurück in die Stadt. Wenn du magst, rufe ich dich bald wieder an.«
»Na klar. Wann immer du willst.« Alyosha sah ihn mit großen Augen an. »Stimmt es, dass du vom Geheimdienst bist?«
Viktor lachte. »Das ist lange her, Schätzchen. Sehr lange her.«
17
I ch bin … was?« Hannah starrte die anderen mit offenem Mund an.
»Schwanger, Frau Dr. Peters.« Anna Christensen lächelte. »Und zwar in der siebenten Woche. Wenn Sie mal schauen wollen …?«
Sie reichte Hannah ein grobkörniges Schwarzweißfoto, auf dem nicht viel mehr als ein paar abstrakte Strukturen zu sehen waren.
»Hier haben wir den Uterus, und dieser kleine Knopf dort ist der Embryo. Er ist jetzt ungefähr fünf Millimeter groß und hat die Form einer Bohne, sehen Sie?« Sie deutete auf den entsprechenden Teil des Bildes.
Hannah starrte auf die Sonographie und verstand immer noch nicht. Sie hatte Probleme, das alles unter einen Hut zu bekommen.
»
Wie lange
war ich noch mal bewusstlos?«
»Einen Monat. 33 Tage, um genau zu sein.«
»Wie bitte?«
»Sie waren bereits schwanger, als Sie nach Spitzbergen aufgebrochen sind. Wussten Sie das nicht?«
Hannah strich über ihren Bauch. Ihre Regel war überfällig gewesen, doch sie hatte dem keine Bedeutung beigemessen. Sie hatte schon öfter Unregelmäßigkeiten in ihrer Periode gehabt, das war nichts Neues. Aber dieses Ziehen im Unterleib, ihre spannenden Brüste …
»Ich bin 45 Jahre alt«, flüsterte sie.
»Die italienische Rocksängerin Gianna Nannini war 54, als sie Mutter wurde. Kein Grund, nicht schwanger zu werden und ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Und Ihr Kind ist gesund, das können wir Ihnen versichern. Wir haben alle notwendigen Tests durchgeführt.«
»Und noch ein paar darüber hinaus«, ergänzte Hansen mit vielsagendem Blick.
Hannah wurde von einer Woge von Gefühlen überrollt. Sie, die eigentlich nie Kinder gewollt hatte – die überzeugt gewesen war, dass Kinder nicht in ihr Lebenskonzept passten –, war plötzlich schwanger?
Ihr Vater hatte vor drei Jahren einen Schlaganfall erlitten. Ihre Eltern waren beide dieses Jahr 70 geworden. Hannahs jüngere Schwester hatte im August zum dritten Mal entbunden und lebte spießig und glücklich mit Mann und Kindern in einem Haus an der Elbchaussee. Nach Jahren der Trennung hatte Hannah sich endlich wieder mit ihrer Familie versöhnt, ohne jedoch jemals einen Gedanken daran zu verschwenden, dass
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